Stolpersteine sind Pflastersteine mit einer Messingoberfläche, die sich auf dem Gehsteig vor den Häusern von Holocaust-Opfern befinden. „Um den Text auf dem Stein lesen zu können, muß man sich vor dem Opfer verneigen“, sagte der Bildhauer Günter Demnig, der 1992 erstmals seine Idee solcher Miniaturdenkmale verwirklichte und die ersten Stolpersteine vor den Häusern jüdischer Anwohner in Köln und Berlin verlegte.
Innerhalb weniger Jahre fand Demling die Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit. Gegenwärtig sind Gedenksteine für die verschwundenen und ermordeten jüdischen Burger nicht nur in Deutschland, sondern auch in 23 weiteren europäischen Ländern verlegt. Die erste Steinsetzung in der Tschechischen Republik erfolgte am 8. Oktober 2008 in Prag.
Die ersten vier Stolpersteine im ehemaligen Kreis Friedland, die an die Holocaust-Opfer der Familie Kaufmann erinnern, verlegte man 5. November im Wallfahrtsort Haindorf im Isergebirge: Die Steine sind in den Bürgersteig an der Hauptstraße in Richtung Bad Liebwerda vor dem Haus Nr. 381, dem heutige Hauptquartier der Polizei der Tschechischen Republik, eingelassen.
Diese Aktion erwuchs aus der gemeinsamen Initiative der Stadt, der römisch-katholischen Gemeinde und des Klosters Haindorf. Drei der vier Stolpersteine erinnern an Hans Kaufmann, geboren am 8. März 1896, Walter Kaufmann, Jahrgang 1897, und Heda Kaufmann, Jahrgang 1905, die sich wahrend der NS-Zeit versteckt und überlebt hat.
Das Leben in der Illegalität trug zu einer erheblichen Verschlechterung der Gesundheit Heda Kaufmanns bei. 1949 musste sie in die Invalidenrente gehen. Ihr immer schlechter werdender Gesundheitszustand führte sie schließlich zu dem Entschluss, am 7. August 1981 freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Das Buch ihrer Erinnerungen „Blätter aus der Familienchronik“ (Listy z rodinné kroniky) ist 2011 im Verlag Albis international in Aussig erschienen.
Den vierten Stolperstein verlegte man für Viktor Kaufmann, geboren am 21. August 1900, den der „Volksgerichtshof“ in Berlin im November 1944 zum Tode verurteilte. Kurz vor Kriegsende, am 26. Februar 1945, wurde er in Brandenburg hingerichtet. Seine Mutter Hedwig Kaufmann/Langstein war seit 1895 mit Julius Kaufmann verheiratet.
Sie verschwand kurz nach seiner Verhaftung im Oktober 1941. Und mit ihr verschwand in Transporten nach Theresienstadt fast die gesamte Großfamilie. Der Haindorfer Arzt Julius Kaufmann war der Vater der Geschwister Kaufmann. In seinem 60. Lebensjahr verstarb er in Haindorf am 19. November 1923 nach langem und schwerem Leiden.
Er wurde am 22. November 1923 im Reichenberger Krematorium eingeäschert. Im Haus Nr. 381 hatte er am 20. Juni 1893 seine Arztpraxis eröffnet. Hier wirkte er als Distrikts- und Schularzt für das Wohl der Allgemeinheit. Mit seiner Ehefrau Hedwig, geboren am 20. März 1875 in Neubidschow, lebte er dort bis zu seinem Tod.
Das k. u. k. Ministerium des Inneren ermächtigte mit Erlass vom 14. Oktober 1913 die Statthalterei, den um die öffentliche Impfung im Jahr 1912 besonders verdienten Ärzten im Namen des Ministeriums die Anerkennung auszusprechen. Die Statthalterei sprach den Stadt- beziehungsweise Distriktärzten Josef Kubasta in Friedland und Julius Kaufmann in Haindorf für ihren Eifer und ihre Tätigkeit bei der Durchführung der öffentlichen Impfung ihre Anerkennung aus. Nach seinem Tod übernahm Kaufmanns Sohn, der Zahnarzt Hans Kaufmann, die Praxis.
Nachdem die vier Stolpersteine verlegt und ein kurzes Gebet gesprochen worden waren, fanden im Haindorfer Kino zwei Vorträge zum Thema Holocaust und Familie Kaufmann statt, besucht sowohl von Schülern der Grundschulen Raspenau und Friedland als auch von Einwohnern der Stadt Haindorf.
Bei der anschließenden Diskussion stellten die Schüler den Historikern und den Vertretern der jüdischen Gemeinde Fragen. Anwesend war auch der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Reichenberg, Pavel Jelinek, der den Holocaust überlebt hat. 2018 zahlte die jüdische Gemeinde in Reichenberg 60 Angehörige.