Zu den vielen hervorragenden historischen Prachtbauten Reichenbergs, die an die ehemals ruhmreiche Zeit erinnern und die wir noch heute bewundern können, gehört das in einzigartigem Jugendstil erbaute Hotel Schienhof im Zentrum der Stadt, das sich neben dem Rathaus an einer hervorragenden Stelle befindet.
Das Hotel am Altstädter Platz errichtete der Reichenberger Baumeister Julius Keil im Auftrag des Reichenberger Kaufmanns und Fabrikanten Ignaz Schien aus Reichenberg-Rosenthal 1906 nach den Plänen des Gablonzer Architekten Robert Hemmrich. In der Hotelwerbung wurde es als „Haus ersten Ranges" bezeichnet. In den folgenden Jahrzehnten gehörte es zu den ersten Adressen der Stadt. Die berühmte Sachertorte und dazu sogar Wiener Schrammelmusik: Das konnte man damals alles hautnah im Hotel Schienhof genießen. Es war die Reichenberger Belle Epoque. Im Oktober 1908 pachtete der Gastwirt Josef Krall das neue Hotel. Am 28. Dezember 1911 wurde bei dem Kreigericht Reichenberg infolge Zurücklegung des Gewerbescheines seitens der Inhaberin Anna Schien die Firma Ignaz Schien — Handel mit Leinen-, Baumwoll- und Manufakturwaren — gelöscht.
Dann kam die traurige Nachricht: „Am 4. Dezember 1913 mittags verstarb der Erbauer und Besitzer des Hotels Schienhof, Ignaz Schien, in der Schloßgasse Nr. 11 im 64. Lebensjahr plötzlich und unerwartet am Herzschlag." Seine Beerdigung fand unter großer Beteiligung am Samstagnachmittag, 6. Dezember statt. Der weithin bekannte Kaufmann und Hausbesitzer war am 23. Juli 1850 in Ober Rochlitz als Sohn einer angesehenen, kinderreichen Müllersfamilie zur Welt gekommen, die sich nebenbei der damals im Ort schwunghaften Hausweberei widmete. Nach dem Tod seines Vaters betätigte er sich in größerem Umfang in diesem Fach und brachte selbst bis Anfang der siebziger Jahre die Erzeugnisse im Hausierweg an den Mann.
Danach ließ er sich in Reichenberg nieder und gründete 1879 in der Wiener Straße ein Weiß- und Modewarengeschäft, das er später in die Schloßgasse verlegte. Neben dieser geschäftlicheren Tätigkeit begann er 1905 mit dem Bau des weit und breit bekannten Hotels Schienhof, eines Gebäudes, das zur Zierde des Hauptplatzes der Stadt Reichenberg wurde und seinen Namen in fernste Zeiten in bester Erinnerung halten sollte.
Der Verstorbene war Ehrenmitglied des Gegenseitigen Invaliden- und Unterstützungsvereines, Gründungsmitglied des Kinderschutzvereines für den Landbezirk Reichenberg, Gründer des Omithologischen Vereines sowie Mitglied vieler humanitärer und nationaler Vereine, Zensor der Bezirkssparkasse in Reichenberg und Sachverständiger im Webfach beim k. k. Kreisgericht. Den Schulen seines Heimatortes war er stets ein guter Freund.
Josef Schien starb in Ober Rochlitz als der letzte von zwei Schwestern und fünf Brüdern, die sich aus einfachen Verhältnissen emporgearbeitet hatten. Franz, Ignaz, Josef, Robert und Heinrich Schien stammten aus der Mühle in Ober Rochlitz-Hinterwinkel, wo später Burkerts Drechslerei war. Franz Schien besaß die Mühle neben der Trautenauer Bierhalle in Ober Rochlitz — die ehemalige Häckel-Mühle — und übersiedelte 1901 nach Rosenthal bei Reichenberg, wo er eine größere Mühle übernahm, die sein Sohn ständig erweiterte. Ignaz Schien betrieb eine Weberei in Rochlitz, hatte ein großes Modewarengeschäft in der Reichenberger Schloßgasse und machte seinen Namen in weiten Kreisen bekannt durch den Bau des Schienhofs in Reichenberg. Robert Schien hatte ein Tapezierergeschäft in Reichenberg-Knappenberg, das der gleichnamige Sohn weiterführte. Heinrich Schien studierte in Falkenau-Kittlitz bei Böhmisch Leipa Forstwirtschaft und übernahm später von seinem Schwiegervater in Wien eine Kunsthandlung. Nachdem der um 1930 verstorbene Josef Schien 35 Jahre lang als Müller und Bäcker in seiner Mühle — ehemals Dufke-Mühle — tätig war, verkaufte er sie seinem Neffen Rudolf Biemann und lebte bescheiden und zurückgezogen. Für Arme und Vereine hatte er eine wohltätige Hand. Anna Schien, die Witwe von Ignaz Schien, feierte am 13. August 1931 ihren 75. Geburtstag.
Der hiesige Weinhändler Alois Gallbrunner hat das bekannte Reichenberger Hotel „Schienhof“ mit Kaffeehaus und Weinkeller, das seit seiner Eröffnung am 30. November 1908 von Hotelier Josef Krall in umsichtiger und fachkundiger Weise geführt worden ist, pachtweise ab 1. Mai 1918 übernommen. Herr Gallbrunner war im Gastgewerbe nicht bloß als Inhaber des Reichenberger Cölestiner-Kellers tätig, sondern hat auch schon vor seiner Übersiedlung in unsere Stadt durch drei Jahre das große Kurhotel in Gmunden selbstständig geleitet und ein Hotel in Weidhofen an der Ybbs (Niederösterreich) geführt.
Ein weiterer Hotelier, Cafetier und Restaurateur im Hotel Schienhof in Reichenberg war der Präsident der sudetendeutschen Gastwirtsgenossenschaft, Josef Mauder. Nachdem in Gablonz Anfang November 1932 in dem neuen Rathausneubau die Rathausgaststätten eröffnet wurden, übernahm er dort die fachkundige Leitung.
Nach der Vertreibung der Sudetendeutschen wurde das Hotel unter staatliche Verwaltung gestellt. Vor der Neueröffnung erfolgte die Umbenennung des Hotels Schienhof in Hotel Praha. Zum Staatsverwalter wurde Bohuslav Vítek ernannt. Nur noch kurze Zeit diente das Haus als Hotel. Von 1951 bis 1982 machte sich die Baufirma Metrostav in den Räumen des Hotels an der Eisengasse breit; der Hotelbetrieb wurde eingestellt. Die Zimmer wurden unsanft und umfangreich zu Architektenbüros ausgebaut. Viele der Jugendstil-Elemente wurden vernichtet.
Die Zeit des Kommunismus überstand das Haus, doch war sein Zustand mehr als unansehnlich. Die nächste Sanierung war fällig. 1991 gab es weitere tiefgreifende Änderungen in dem Hotelgebäude. Das „Bürohaus" wurde wieder aufwendig renoviert und zu einem zeitgenössischen Drei-Sterne-Hotel umgebaut. 2003 wurden von den jetzigen Besitzern die letzten und größten Umbaumaßnahmen, insbesondere der Innenräume, vorgenommen. Sie waren so umfassend, daß man fast von einem stilgerechten Hotel Schienhof sprechen konnte. Das Restaurant Secession im ersten Stock und die Rezeption des Hotels wurden in den ursprünglichen Zustand des Jugendstils gebracht.
Jetzt wird die alte Tradition wieder fortgesetzt. Sogar der alte Fahrstuhl wurde wieder funktionsfähig gemacht. Die alten Fotos des legendären Luxushotels an den Wänden in den Gasträumen zeigen den Besuchern, wie das historische Hotel früher ausgesehen hat. Der Glanz des Jugendstils wurde wieder zum Leben erweckt.