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Der Autor

Stanislav Beran ist freier Journalist und Korrespondent mit Schwerpunkt Geschichte und Kultur. 

Als Auslandskorrespondent berichtet er aus dem Isergebirge für verschiedene Zeitungen und Onlinemedien im deutschsprachigen Raum.

Er ist Dolmetscher und staatlich geprüfter Übersetzer für die deutsche Sprache, Herausgeber der Friedländer Zeitung und Heimatforscher.

Auch die Website https://friedlandinbohmen.jimdo.com, auf der man Informationen zur Vergangenheit und Gegenwart des Kreises Friedland in Böhmen und die vielseitige Geschichte des Landes unserer Ahnen finden kann, wurde von ihm erstellt.

Für den Blog auf Tschechien Online schreibt er seit April 2015.

Im Internet: friedlandinbohmen.jimdo.comfriedlandinbohmen.jimdo.com
Bildnachweis:
Stanislav Beran

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| | Kultur | 14.4.2019

Villa Klinger heute und gestern (2)

Zweiter und letzter Teil
  • Interieur der renovierten Villa

Die Baron-Ottomar-Klinger-Villa gehörte zu den drei luxuriösen Anwesen, die die Unternehmerdynastie Ignaz Klinger Ende des 19. Jahrhunderts auf ihrem Firmengrundstück in Neustadt an der Tafelfichte errichtete. Sie wurde ab 2001 restauriert, umwidmet und steht unter Denkmalschutz.

Nach 1945 veränderte sich das Leben vieler Menschen von einem auf den anderen Tag. Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Nur wenigen Deutschen blieb die Vertreibung zunächst erspart. Sie mussten die neu angekommenen Tschechen, die das Grenzgebiet nun besiedelten, in den verlassenen deutschen Betrieben anlernen. Aber auch ihnen blieb später nichts erspart.

Schon im Juni 1945 lief die verstaatlichte Firma Ignaz Klinger unter tschechischer Leitung wieder weiter. 1982 waren in der Fabrik 1350 Arbeiter beschäftigt, 70 Prozent davon Frauen. Die seit 1945 leerstehende Ottomar-Klinger-Villa beherbergte in den fünfziger Jahren einen Kindergarten. Die Einrichtung von Kindergärten und Pflegeheimen war typisch für die kommunistische Verwendung ehemaliger Fabrikantenvillen. Die bei den anspruchsvollen alten Häusern mit der Zeit notwendigen Renovierungsarbeiten wurden jedoch nur selten in Angriff genommen, was vielfach große Bauschäden nach sich zog. Nur notdürftig wurden sie repariert. 

Ältere Neustädter erinnern sich noch an das Haus und ihre Kinderzeit. Der Kindergarten befand sich bis 1990 dort. Ab dem darauffolgenden Jahrzehnt stand die Villa wieder leer. Im Zuge der Privatisierung nach der Samtenen Revolution wurde das Firmenareal verkauft und gehörte zehn Jahre lang einer Prager Firma. Auf dem Gelände wurde nichts gemacht. Die Gemeinde konnte nicht verhindern, dass daraus ein Spekulationsobjekt wurde. 

In der seit 1990 unbewohnten und weitgehend zerstörten Ottomar-Klinger-Villa und auf ihrem Gelände trieben Vandalen und Diebe ihr Unwesen. Das Gebäude geriet in Vergessenheit  und verfiel von Jahr zu Jahr immer mehr. Es war nur noch eine Frage der Zeit, daß das  ganze Gebäude eingestürzt wäre. Auch an den Firmengebäuden fand kein Unternehmer  Interesse. Die optimistische Hoffnung des Denkmalamtes, dass jemand die historische Villa  kauft und originalgetreu restauriert, ging in Erfüllung. 

2001 wurde der Krefelder Unternehmer Peter M. Wöllner der neuer Besitzer des Gebäudes, das sich einst der Tuchfabrikant Klinger direkt neben seiner Weberei hatte errichten lassen.  Wer heute zu dieser Villa kommt, sieht einen Palast, der seit 1994 unter Denkmalschutz steht. Das Denkmalamt, das bei dem Kauf behilflich war, beteiligte sich an der Restaurierung  mit rund 500 000 Kronen. Dieser Betrag wurde zur Erneuerung des Parketts und der Restaurierung des Deckengemäldes des Prager Malers Adolf Liebscher (1857–1919) verwendet. 

Möglich wurde dies natürlich in erster Linie bei denjenigen Häusern, deren engagierte Eigentümer den ganz besonderen Wert solcher historischer Gebäude noch zu schätzen wissen und den großen finanziellen Aufwand einer stilgerechten Restaurierung nicht scheuten.

Einen Teil der Arbeiten übernahmen Arbeiter der Wöllner-Firma CIS Systems. Weitere Arbeiten verrichteten Spezialisten. Der Wiederaufbau dauerte viele Jahre, bevor das Dornröschen, wie die Villa genannt wurde, zur gegenwärtigen Schönheit erwachte. Der ursprünglich für den Wiederaufbau und für die denkmalgerechte Renovierung benötigte Betrag belief sich auf umgerechnet 4,6 Millionen Euro (120 Millionen Kronen). Anhand alter Fotos und Zeichnungen wurde das seit Jahren leerstehende Haus, das im Grunde eine Ruine und abbruchreif war und seit Jahrzehnten auf seine Rettung wartete, in seinen historischen Zustand versetzt.

Zu sehen sind jetzt der neu renovierte stattliche Spiegelsaal mit den hohen Decken und den Spiegelwänden, der für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt wird, das einstige Herrenzimmer mit kostbar vertäfelter Holzdecke, die prächtigen Fassaden, die in neuem Glanz erstrahlen, die reiche Ausgestaltung inklusive Wandgemälde, Parkettfußboden und Kassettendecke sowie ein repräsentatives Treppenhaus.

Außer dem eingefallenen Dach, durch das es hineingeregnet hatte, wurde auch der fehlende Dachturm über dem Eingang wiederhergestellt. Die mit Stuck reich verzierten Innenräume weisen auf Renaissance, Klassizismus und Spuren des modernen Jugendstils hin. Geprägt wird die historische Villa aber auch von dem zu ihr gehörenden Grundstück und dessen Gestaltung.

Großer Dank gebührt dem neuen Eigentümer der Villa, dem Unternehmer und Retter Peter M.Wöllner aus Krefeld, Chef der Firma CIS Systems, der sich in herausragender Weise für den Erhalt dieses historischen Gebäudes eingesetzt hat. Heute befinden sich in dem beispielhaft sanierten historischen Gebäude der Hauptsitz der Firma CiS Systems, also die Firmendirektion, sowie Büros und Räume für Besucher.

Beim Besuch dieser traumhaften Villa hat man das Gefühl, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Sie ist ein wahres Schmuckstück geworden. Der Unternehmer Peter M. Wöllner wollte vor zehn Jahren sogar große Teile der alten Textilfabrik, in der er am Anfang einen Teil seiner Ware produziert hatte, kaufen und wiederbeleben. Damals waren viele Gebäude noch in Ordnung. Das hatte nicht sein sollen: Der Fabrikbesitzer verlangte einen inakzeptabel hohen Preis. So kaufte Wöllner die ehemalige Textilfabrik von Eduard Simon in Haindorf, um viele neue Arbeitsplätze für die Firma CiS Systems schaffen zu können.

Wöllner: „Schade für Neustadt an der Tafelfichte. Wir hätten diese schöne alte Fabrik gerne weiterentwickelt und vor dem Untergang gerettet.“ Das mittelständische deutsche Unternehmen CiS Systems, Hersteller von Kabelkonfektionierungen, Kabelgarnituren, Sondersteckverbindern, Systemtechnik und Mechatronik mit den Produktionsstandorten in Haindorf und Neustadt an der Tafelfichte, exportiert etwa 90 Prozent seiner Erzeugnisse in den deutschsprachigen Raum. Daher überrascht es nicht, daß für das Unternehmen deutschsprachige Mitarbeiter von großer Bedeutung sind. Deutsch gilt bei CiS Systems als Firmensprache und wird als wichtigste Fremdsprache in der Firma – außer in der Produktion – verwendet.

2010 wurde die Firmenproduktion in das neue Werk – die ehemalige Firma Eduard Simon – nach Haindorf verlegt. Die Firma CiS Systems hat in ihrer Nebenstelle in Haindorf und in Neustadt mehr als 700 Arbeitsplätze geschaffen und ist damit der größte Arbeitgeber der Region.

Bildnachweis:
Stanislav Beran

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