Ende Februar fand das Gedenkjahr zu Ehren der Adelsfamilie Clam-Gallas mit einem feierlichen Gottesdienst in der barocken Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung in Haindorf im ehemaligen Kreis Friedland ein besinnliches Ende.
Diese Heilige Messe hatte eine breite Gemeinschaft organisiert. Gestaltet wurde sie von dem Priester Heinrich Doblhoff-Dier von der Erzdiözese Wien, dem Haindorfer Pfarrer Pavel Andrš, den Reichenberger Franziskanern Antonín Kejdana, Pfarrer in der Sankt-Antonius-von-Padua-Kirche in Reichenberg-Ruppersdorf, und Pavel Černý, der eher unter dem Ordensnamen Bruder Bartholomäus bekannt ist.
Mit dabei waren auch Pfarrer Radek Vašinek aus Grottau und der Diakon aus Langenbruck, Michal Olekšák. Außer den Vertretern der Institutionen, die geholfen hatten, die Clam-Gallas-Ausstellung in der Reichenberger Galerie durchzuführen, waren auch die Nachkommen des letzten Friedländer Grafen Franz Clam-Gallas gekommen. In der ersten Reihe saßen die Geschwister Agathe und Jenő Széchényi, Urenkel des letzten Friedländer Grafen Franz von Clam-Gallas, Fürst Karl zu Schwarzenberg (2007 bis 2009 und 2010 bis 2013 Außenminister der Tschechischen Republik) sowie Florian Ringler.
Der Gedenkgottesdienst zog auch viele Besucher an, die sich an die Familie und an das Erbe der Clam-Gallas erinnerten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch an den 90.Todestag von Graf Franz Clam-Gallas erinnert, der am 20.Januar 1930 in Friedland im Alter von 75 Jahren verstorben war und seine letzte Ruhestätte am 23.Januar 1930 in der gräflichen Familiengruft der Haindorfer Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung gefunden hatte. Im Nostitz-Palast auf der Prager Kleinseite, dem Sitz des Kulturministeriums, war am 12. März 2019 unter Beteiligung der Generaldirektorin des Nationalen Denkmalamtes, Naděžda Goryczková, des Vize-Kulturministers Jiří Vzientek und der Nachkommen der Familie Clam-Gallas das Projekt des Jahres 2019 mit dem Titel „Auf den Spuren der Adelsgeschlechter Gallas und Clam-Gallas“ eröffnet worden.
Das Nationale Denkmalamt hatte für die Besucher im vergangenen Jahr fast hundert Veranstaltungen wie Ausstellungen, Vorträge, Konzerte oder Besichtigungen organisiert, die auch viele Informationen über das Privatleben der Familie Clam-Gallas preisgaben. Das Projekt war ein Teil des langfristigen und in der Öffentlichkeit beliebten Zyklus „Auf den Spuren der Adelsgeschlechter Gallas und Clam-Gallas“ mit dem Ziel, an das kulturelle, gesellschaftliche und historische Erbe wichtiger aristokratischer Familien zu erinnern. Der letzt-jährige – der neunte – Jahrgang, der den Clam-Gallas gewidmet war, war ein voller Erfolg.Bei der Eröffnungsfeier im Nostitz-Palast vertraten Gräfin Agathe Maria Széchényi, Enkelin von Gabriela Auersperg/Clam-Gallas, und ihre zwei Brüder Alexander und Eugen Széchényi die Familie. „Ich möchte dem Nationalen Denkmalamt, seiner Generaldirektorin Naděžda Goryczková und Direktor Miloš Kadlec unseren großen Respekt aussprechen. Auf ihren Schultern liegt die Verantwortung für den größten Teil des materiellen Erbes der Clam-Gallas“, sagte Gräfin Széchényi damals. „Als ich das Programmheft mit dem Thema des Jahres 2019 öffnete, war mir klar, dass hinter all diesen Veranstaltungen etwas ganz Besonderes steckt. Und das ist das liebevolle und leidenschaftliche Engagement vieler Mitarbeiter des Nationalen Denkmalamtes und der beteiligten Institutionen.“Die Clam-Gallas waren auch mit anderen bedeutenden Familien der Habsburger Monarchie verwandt. Sie nahmen an Krönungen, kaiserlichen Auslandsreisen, diplomatischen Missionen oder Kriegen teil. Sie engagierten sich für Kunst und Wohltätigkeit und förderten die Errichtung bedeutender Gebäude, unterstützten die Kirchen, die Forstwirtschaft und die Kurorte der Region. In der Zeit ihrer Herrschaft entstand auch das erste Schlossmuseum in Böhmen und vermutlich auch in ganz Europa, das 1801 im Schloss Friedland eröffnet wurde.Der Höhepunkt des Gedenkjahres war die letzte und gleichzeitig die größte Ausstellung, die unter dem Titel „Gerechtigkeit ohne Furcht“ in der Regionalgalerie in Reichenberg Mitte Dezember eröffnete.
Gewidmet wurde sie der Adelsfamilie Clam-Gallas, die 300 Jahre lang den Norden Böhmens mitgeprägt hatte. Die außergewöhnliche Exposition, die einen umfassenden Einblick in das Leben des Hochadels zeigte, hatten Kurator Vladimír Tregl vom Nationalen Denkmalinstitut und Anna Habánová von der Regionalgalerie Reichenberg vorbereitet. Ein künstlerischer Höhepunkt waren die Porträts in Überlebensgröße, die die Galerie vom Friedländer Schloss ausgeliehen hatte. Aus künstlerischer Sicht war der ausgestellte Orden des Goldenen Vlieses sehr interessant. Er war die höchste Auszeichnung, die man in Österreich-Ungarn bekommen konnte. Im 19.Jahrhundert war sie Eduard Clam-Gallas verliehen worden. In Reichenberg ließ Franz Ferdinand Graf von Gallas (*1635, †4.Januar 1697 in Prag) von 1695 bis 1698 die Kirche der Auffindung des Heiligen Kreuzes errichten. Später wurden die Stadtviertel Johannesthal, Neu Paulsdorf und Neu Harzdorf gegründet.
Einige Namen wie Christanstadt oder Philippsdorf erinnern an Graf Christian Philipp Clam-Gal-las (*1.September 1771 in Prag, †21.August 1838 in Prag), den Gründer des Kurorts Liebwerda. Während der Clam-Gallas-Herrschaft wurde Reichenberg zu einer Großstadt ausgebaut. Der Straßenbahnverkehr wurde eingeführt und die schönsten Gebäude wie das Theater, das Nordböhmische Museum und das Franz-Joseph-Bad, das später umgebaut wurde und heute als Regionalgalerie dient, gebaut.Ein Teil der umfangreichen Ausstellung widmetet sich den sieben Töchtern von Graf Franz von Clam-Gallas (*26.Juli 1854 in Reichenberg, †20.Januar 1930 in Friedland) und seiner Ehefrau Maria von Hoyos-Sprinzenstein:
● Christiane (1886–1947), verheiratet mit Maria Joseph von und zu Arco-Zinneberg (1881–1924); ● Eleanore (1887–1967), verheiratet in erster Ehe mit Karl Friedrich Johannes Afonso Ignaz Alexandre zu Schwarzenberg (1886–1914), in zweiter Ehe mit Zdenko Kinsky von Wchinitz und Tettau (1896–1975); ● Eduardine (1889–1970), verheiratet mit Professor Adolf Winkelbauer (1890–1965); ● Gabrielle (1890–1979), verheiratet Adolf Karl von Auersperg (1886–1923); ● Marie (1893–1959), verheiratet mit Karl Maria Leopold Joseph Ignatius Antonius Robert von Podstatzky-Lichtenstein (1874–1946); ● Clothilde (1898–1975) und ● Sophie (1900–1980), verheiratet mit Eduard Rupert von Auersperg (1893–1948).
Die Töchter sind auf großformatigen Fotografien, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gemacht wurden, verewigt. Diese Bilder präsentierten nicht nur ihre Konterfeis, sondern auch ihre Ehemänner und ihre Interessen. Zu bestaunen war auch das entzückende Kinderspielzeug von Schloss Friedland, das nicht nur die kleinsten Besucher der Ausstellung begeisterte. Außerdem wurden den Besuchern historische Schlitten und Kutschenmodelle präsentiert. Nicht vergessen darf man Franz Graf von Clam-Gallas als letzten Besitzer der Herrschaft Friedland, als Vater von sieben Töchtern und mithin letzten männlichen Vertreter dieses altösterreichischen Adelsgeschlechts, als Gutsverwalter der Herrenhäuser Friedland, Reichenberg, Grafenstein und Lämberg und als einen großen Wohltäter, der ein angeborenes Bedürfnis hatte zu helfen. Regelmäßig und großzügig unterstützte er Waisen, Blinde, Menschen im Armenhaus, Obdachlose, Kriegsinvalide und Schwerkranke, an die er in den Jahren 1911 bis 1923 2 800.000 Kronen verteilte. Zu Lebzeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet. Kaiser Franz Joseph verlieh ihm das Ritterkreuz des Österreichisch-kaiserlichen Leopold-Ordens und Bulgariens Zar Ferdinand den Sankt-Alexander-Orden. Für seine Verdienste auf dem Gebiet der Landwirtschaft ehrte ihn Frankreichs Staatspräsident mit dem Commandeur-Orden.
An seinem 60.Geburtstag im Jahre 1914 wurde er zum Ehrenbürger von Reichenberg ernannt. Das Ausstellungsprojekt „Auf den Spuren der Adelsgeschlechter Gallas und Clam-Gallas“ entstand in Zusammenarbeit der Reichenberger Regionalgalerie mit dem Nationalen Denkmalamt, dem Lehrstuhl für Geschichte an der Technischen Universität Reichenberg und dem Institut für Kunstgeschichte in Prag. Die Vorbereitung hatte mehr als zwei Jahre gedauert. Ein großer Teil der Exponate stammte aus den Schlössern Friedland, Grafenstein bei Grottau und Lämberg im Kreis Deutsch Gabel, die sich bis 1945 im Besitz der Adelsfamilie Clam-Gallas befunden hatten. Einige der 258 ausgestellten historischen Kunst- und Handwerksgegenstände waren noch nie gezeigt worden, zum Beispiel die 38 Zentimeter hohe, von den Pilgern als wunderwirkend an-gebetete Statue der Haindorfer Jungfrau Maria, die auch Mater Formosa oder Maria Formosa genannt wird.
Die Spuren der Aristokratenfamilie Clam-Gallas führen bis nach Prag in die Altstädter Hus-Gasse im Zentrum der Stadt, in der sich das Clam-Gallas-Barockpalais befindet. Mit dessen Bau hatte man im Jahr 1715 angefangen. Beendet wurden die Bauarbeiten 1730. In dem Palais gastierten mit ihren Konzerten sogar Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. 1945 wurde der Palast aufgrund der Beneš-Dekrete beschlagnahmt. In dem Gebäude, in dem sich 60 Räume befinden, wurde das Prager Stadtarchiv untergebracht. Das Palais ist im Besitz der Stadt Prag. Zum Eigentum der Familie gehörte auch das 1834 bis 1835 im klassizistischen Stil erbaute Dietrichsteinsche Sommerpalais am Wiener Alsergrund, das 1850 durch Heirat in den Besitz der Familie kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude der US-amerikanischen Armee. 1952 verkaufte die Familie das traditionsreiche Objekt an die Republik Frankreich, die darin das Französische Kulturinstitut Wien einrichtete. Seit 1980 wurde das Gebäude auch als Kultur- und Wissenschaftsabteilung ihrer Botschaft genutzt.
Aus Kostengründen suchte Frankreich seit 2014 einen Käufer für das Palais. Das traditionsreiche Gebäude wurde im November 2015 an das Emirat Katar verkauft, das dort seinen neuen Botschaftssitz einrichtete. Durch die Ausstellung erhielt die interessierte Öffentlichkeit eine umfangreiche Übersicht über das Leben der Adelsfamilie Clam-Gallas von Matthias Gallas (1588–1647) bis zu den sieben Töchtern des letzten männlichen Familienmitglieds Franz Clam-Gallas und dem Ende 1945. Auch in der benachbarten Oberlausitz fand die Ausstellung große Resonanz. 80 deutsche Besucher, hauptsächlich aus Zittau und Umgebung, kamen zu der deutschen Führung in die Galerie nach Reichenberg. Über die Ausstellung, die an längst vergangene Zeiten erinnerte, wurde sogar in den sächsischen Medien berichtet. Sie endete am 1. März und hatte mehr als 10.000 Besucher.
Die Schirmherrschaft für dieses Projekt hatten der Kulturminister und Christine Edina Kelly mit Agathe Maria Széchényi von dem 2015 ins Leben gerufenen Clam-Gallas-Stiftungsfonds übernommen, der von den Clam-Gallas-Nachkommen gegründet worden war. Insgesamt waren 21 Institutionen und Städte an der Ausstellung beteiligt. Das Reichenberger Kreisamt hatte das kulturgeschichtliche Unternehmen mit 300.000 Kronen unterstützt. In Reichenberg hatten sich die Clam-Gallas das letzte Mal mit einer derartigen Exhibition auf der Deutsch-Böhmischen Ausstellung 1906 gezeigt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verlor Franz Graf Clam-Gallas durch die Bodenreform der neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik mehr als die Hälfte seines gesamten Grundbesitzes in Nordböhmen. Die Residenz der Familie, das Palais Clam-Gallas in Prag, wurde nach 1945 verstaatlicht. Aufgrund der Beneš-Dekrete verlor die Familie nach 1945 ihr gesamtes Eigentum; die wiedererrichtete ČSR konfiszierte ihren gesamten Besitz.Im Mai 1945 begann die Ver-treibung, bei der knapp drei Millionen Sudetendeutsche ihre Heimat verloren. Die Nachkommen der Familie Clam-Gallas leben seit 1945 im Ausland.