Ein alter und guter Brauch ist, an Allerheiligen und Allerseelen die Gräber unserer Verstorbenen, die wir schmerzlich vermissen, aufzusuchen und mit Kränzen und Blumen zu schmücken. An jedem Grab werden Kerzen angezündet, und die Gläubigen versammeln sich zu Gottesdiensten für die Verstorbenen.
Anders sehen die alten Gruften und Gräber der ursprünglichen deutschen Bewohner in Friedland aus. Viele Gräber von den damaligen deutschen Einwohnern wurden nach der Vertreibung entfernt. Doch die Gräber, die noch stehengeblieben sind, sind ein trauriger Anblick und überbringen eine traurige Botschaft. Viele Grabstätten sind ungepflegt und in einem sehr schlechten Zustand.
An vielen Gräbern wurden die aus Glas, Granit, Sandstein oder Marmor gefertigten Grabplatten zerschlagen und die Buchstaben abgerissen. Selten sieht man dort eine angezündete Kerze oder einen Blumenstrauß. In manchen tschechischen Städten werden jetzt die verwahrlosten historischen Grabsteine der Gräber und Gruften aus eigenen Mitteln restauriert. Dadurch wird das Andenken an die deutsche Bevölkerung aufrechterhalten.
Friedland gehört leider nicht dazu. Zu den Gräbern, die man auf dem Friedländer Friedhof noch finden kann und auf denen die Grabtafeln noch nicht zerschlagen sind und die Namen noch leserlich ist, gehört das Grab des ehemaligen Bürgermeisters Anton J. Aigner. Er wurde am 9. Juni 1844 in Friedland als Sohn eines Zuckerbäckers geboren und erlernte nach Absolvierung der Volksschule das väterliche Handwerk, das er trotz anstrengender öffentlicher Tätigkeit bis zu seinem Tod ausübte.
Schon in seinen jüngeren Jahren war er von einem außerordentlichen Heimatgefühl beseelt, das ihn bald zu einem eifrigen Anwalt aller die Stadt Friedland betreffenden öffentlichen Angelegenheiten werden ließ. Dank seines öffentlichen Wirkens erwarb sich Aigner schnell zahlreiche Freunde und Anhänger, die ihn bereits im Jahr 1876 in die Gemeindestube entsandten, wo er unter dem früheren gemäßigten Regime bald als Führer einer Opposition auftrat.
Im Jahr 1889 wurde er von dieser Fraktion in den Stadtrat geschickt. Als Ende der 1890er Jahre infolge der großen politischen Ereignisse die völkische Bewegung einsetzte,zog er als Bürgermeister ins Rathaus ein. Bei der vier Jahre früher stattgehabten Landtagswahl hatte die unter Führung Aigners stehende Deutsche Volkspartei dem damaligen Wahlbewerber Professor Bendel von der deutschen Fortschrittspartei einen Gegenkandidaten gegenübergestellt, der sich jedoch infolge eines Zwischenfalls nach einer Wählerversammlung freiwillig zurückzog.
An seiner Stelle wurde dann Aigner selbst zum Landtagskandidat nominiert und auch mit großer Mehrheit gewählt. Im Böhmischen Landtag vertrat er den Städtewahlkreis Friedland, Neustadt an der Tafelfichte und Kratzau allerdings nur eine Funktionsperiode lang.
Sein Mandat gab er bei der nächsten Wahl an den damaligen Reichsratsabgeordneten Rudolf Berger ab. Seit jener Zeit betätigte sich Aigner nur noch als Kommunalpolitiker. Sein bescheidenes und gegen jeden zuvorkommendes Wesen sicherte ihm zahlreiche Freunde und Anhänger. Er setzte sich mit seinem selbstlosen Schaffen im Dienste seiner Stadt ein bleibendes Denkmal.
Am 25. April 1912 wurde in Friedland bekanntgegeben, dass Bürgermeister Anton J. Aigner um 17.30 Uhr nach einer schweren Krankheit in seinem 68. Lebensjahr verstorben sei. Diese traurige Nachricht löste damals im ganzen Friedländer Bezirk und vor allem in der Stadt Friedland große Trauer aus. Schließlich war mit Aigner der gewissenhafteste und pflichteifrigste Leiter aller städtischen Angelegenheiten, der gründlichste Kenner der wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Vaterstadt und des dazugehörigen Bezirkes, ein von allen Schichten der Bevölkerung gleich hochgeachteter und überaus beliebter Mann aus dem Leben geschieden.
Der Name Anton J. Aigner ist auch sehr eng mit der Deutschböhmischen Ausstellung in Reichenberg 1906 verbunden. Wie aus der zeitgenössischen Presse ersichtlich ist, hatte sich die Friedländer Stadtgemeinde, die allgemein als Förderin des Handwerkerstandes bekannt war, um das Zustandekommen der Ausstellung große Verdienste erworben.
Der Gewerbeverein hatte angeregt, die Beschickung der Deutschböhmischen Ausstellung durch das Friedländer Kunsthandwerk vorzuschlagen. Daraufhin bildete sich ein Ausschuss, an dessen Spitze Bürgermeister Anton J. Aigner, Bezirksobmann Ehrlich und Franz von Siegmund standen. Diese drei Männer standen den Friedländer Ausstellern mit Rat und Tat zur Seite und förderten wohlwollend deren Arbeiten.
Die Stadtgemeinde Friedland könne hinsichtlich ihrer Fürsorglichkeit für den Gewerbestand anderen Städten Böhmens geradezu als Vorbild dienen, schrieb die Presse damals. Eine Tochter Aigners war mit dem bekannten deutschböhmischen Architekten Rudolf Bitzan (*18. Mai 1872 in Wartenberg, † 2. November in Dresden) verheiratet und lebte in Dresden. Bei der Jahresversammlung der Frauen- und Mädchenortsgruppe des Bundes der Deutschen 1911 in Friedland wurde Marie Aigner, die Witwe des Altbürgermeisters, in den Beirat gewählt. 1913 wurde sie erneut in den Ortsguppenausschuss gewählt. Am 14. Juli 1931 verstarb sie plötzlich an Herzmuskelentzündung (Myokarditis) im 77. Lebensjahr.
Ihre letzte Ruhestätte fand Marie Aigner am 17. Juli 1931 um 15.00 Uhr auf dem Friedländer Friedhof an Anton Aigners Seite. Dem Baumeister Anton Dressler, der den Aussichtsturm auf dem 399 Meter hohen Resselberg in Friedland gebaut hatte, erwies man übrigens eine „sonderbare Ehre“. In seiner Gruft mit einem Andachtsraum, die sich neben dem Grab vom Bürgermeister Anton J. Aigner und dessen Frau Marie befindet, wurde jetzt ein Lagerraum für hölzerne Sitzbänke errichtet. Das klingt sehr merkwürdig, ist aber wahr. Eine seltsame Art von Pietät.
Bemerkenswert ist auch, dass man mit dem Aussichtsturm, der zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Friedland gehört, Geld verdient. Die Touristen müssen beim Besuch des Aussichtsturmes Eintrittsgeld bezahlen. Für die Besucher gelten folgende Eintrittspreise: Erwachsene zahlen 20 und Kinder 15 Kronen. In die in Vergessenheit geratene und langsam zerfallende Gruft des Erbauers Anton Dressler wurde bis jetzt keine müde Krone investiert. In dieser Gegend ist es nicht ungewöhnlich, dass man die Menschen aus der deutschen Vergangenheit des Sudetenlandes vergisst. Dass nicht einmal die Gräber und Gruften der bekannten und wichtigen Persönlichkeiten – zum Beispiel ehemalige Bürgermeister der Stadt –, die einst in Friedland gelebt und sich in der für das Wohl der Menschen in unserer Stadt eingesetzt hatten, gepflegt werden, ist kein Geheimnis.