Der 21. Juli 1929 war für Neustadt an der Tafelfichte ein Festtag. Sie Fahne des Deutschen bürgerlichen Schützenvereines wurde geweiht. Am nächsten Tag fand im Schützenhaus eine Gausitzung unter Leitung von Josef Noswitz, Gauobmann des IV.Gaus der Deutschen bürgerlichen Schützenvereine, in Gablonz statt. Ein großer feierlicher Zapfenstreich und donnernde Böllerschüsse verkündeten den Beginn des Festes.
Am Begrüßungsabend sprach Obmann Emil Neumann, Oberlehrer im Ruhestand, über den Werdegang des Neustädter Vereins und verwies auf die Festschrift, ein Heimatbüchlein für jeden Lokalpatrioten. Außerdem sprachen Bürgermeister Dr. Eduard Neumann, Altbürgermeister Adolf Glöckner, Dechant Anton Öser und Direktor Ullmann. Den unterhaltsamen Teil des Abends besorgten die Schützenkapelle, der Deutsche Männergesangverein, der Mandolinenklub und heimische Künstler.
Am Sonntagmorgen verkündeten Böllerschüsse den Beginn des eigentlichen Festtages. Auf dem Marktplatz vor dem Haus des Obmanns spielte die Kapelle den Choral „Das ist der Tag des Herrn“, worauf der Weckruf durch die Straßen der Stadt erklang. Am Morgen kamen dann die Schützenvereine von Liebenau und Grottau als stärkster und bestorganisierter Verein, ferner von Friedland, Harrachsdorf, Kratzau, Reichenberg, Trautenau, Friedeberg, Greifenberg, Liebental, Marklissa und Wigandsthal in Niederschlesien. Der Besuch der Schützen aus dem benachbarten Deutschland wäre massenhaft geworden, wenn die tschechische Obrigkeit ihnen den Grenzübertritt in Uniform gestattet hätte.
Ab 8.30 Uhr versammelten sich sämtliche Schützen und die Ortsvereine. Die Fahnenpatin war Arabella Klinger, traditionell eine Frau aus der höheren Gesellschaft. Die Weihe der Fahne und der Bänder vollzog Dechant Öser. Der Männergesangverein trug das Fahnenlied und Anna Ledo das Gedicht „Was die Fahne spricht“ vor. Konsistorialrat Anton Öser (*31. Januar 1867; †23. Februar 1946) sprach über die Bedeutung der Fahne. Anschließend hielt Direktor Ullmann aus Grottau die Festrede. Er gedachte der Gefallenen im Ersten Weltkrieg und sprach über die Bedeutung des Schützenvereins. 39 Schützenjubilare wurden vom Gauobmann Noswitz für ihre Treue zum Heimatverein mit dem Ehrenzeichen ausgezeichnet.
Anschließend defilierten sämtliche Vereine vor der neuen Fahne. Die alte Fahne, die im Jahr 1878 geweiht worden war, wurde enthüllt und unter den Klängen des Liedes „Ich hatt‘ einen Kameraden“ ins Rathaus und später ins Schützenhaus gebracht. Um 13.30 Uhr setzte sich ein Festzug in Bewegung, an dem mehr als 600 Personen teilnahmen. Ein Festball bildete den Schluß des Hauptfesttages.
Öser wurde am 31.Januar 1867 in Okenau im damaligen Bezirk Kaaden geboren. Er war acht Jahre am Gymnasium in Kaaden und studierte vier Jahre Theologie in Leitmeritz. Am 1. Juni 1890 wurde er zum Priester geweiht. Zum Pfarrer in der Kirche der Heiligen Katharina wurde er am 27. Oktober 1911 ernannt. Seinen Dienst in der Kirche beendete er 1944. Er starb unerwartet am 23.Februar 1946 im Alter von 79 Jahren als pensionierter Erzdiakon und Ehrenbürger von Neustadt an der Tafelfichte. Sein Grab befindet sich bis heute auf dem Friedhof in Neutadt an der Tafelfichte.