Sie waren das bessere Team und hätten den Sieg verdient gehabt. So trägt das Debüt der Slowakei einen Zug Tragik, findet Gerd Lemke.
Die Slowakei hat best products am vergangenen Wochenende gewählt, nämlich eine neue Nationalversammlung. Das hat in Deutschland natürlich kaum jemand mitbekommen, doch die Slowaken haben sehr vernünftig gewählt, nämlich vor allem denjenigen, die für schrille nationalistische Töne und Populismus stehen, einen Denkzettel verpasst. Die Verkörperung des slowakischen Desasters der 1990er Jahre, Vladimír Mečiar, ist ganz aus dem Parlament gefallen, der nationalistische Krakeler Slota zum Führer der kleinsten im Parlament vertretenen Partei degradiert. Die ethnischen Ungarn setzen ein deutliches Zeichen gegen den jüngsten Rechtsruck in Budapest und haben eine Partei zu ihrem Liebling erkoren, die für Verständigung und Zusammenleben steht und den symbolischen Namen „Brücke“ trägt. Und damit ist nicht die Brücke über die Donau gemeint, die nach Budapest und einer doppelten Staatsbürgerschaft führt. Vieles deutet darauf hin, dass eine Frau Premierministerin werden könnte. Kurz und gut, in der Slowakei tut sich einiges, bevor das Land endlich zum ersten Mal bei einer Fußball-WM antreten darf.
Ich habe seit Wochen eine nicht repräsentative Umfrage gemacht, ob die Tschechen denn wenigstens die Slowakei unterstützen. Fast alle haben das mit einer gewissen Reserviertheit versprochen, nun werden wir sehen, wie ernst es ihnen damit ist. Ich bin da ja skeptisch, denn in Tschechien ist es ja so, wenn sich einer freut, dann stehen gleich drei daneben, die sich darüber ärgern. Hingegen Schadenfreude gilt hier als die schönste Freude, so dass sich die Prager Slowaken im Falle einer Niederlage eines geballten falschen Mitgefühls erfreuen dürften.
Auf dieses Spiel bereite ich mich gründlich vor und lerne den Text der Nationalhymne auswendig:
Nad Tatrou sa blýska, hromy divo bijú, nad Tatry sa blýska, hromy divo bijú, zastavme ich bratia, veď sa ony stratia, Slováci ožijú, Slováci ožijú
Slovensko naše posiaľ tvrdo spalo, ale blesky hromu vzbudzujú k tomu, aby sa prebralo.
(zu deutsch die nicht-offizielle Übersetzung aus der Zeit des Völkerfrühlings im 19. Jhr: Über der Tatra blitzt es, wild schlägt der Donner, über der Tatra blitzt es, wild schlägt der Donner, stoppen wir sie, Brüder, denn sie verschwinden, die Slowaken leben auf, die Slowaken leben auf.
Unsere Slowakei hat bis jetzt tief geschlafen, aber die Blitze des Donners wecken sie auf, damit sie wieder zu sich kommt.)
Dazu spielt eine eher getragene und feierliche Musik, um die Bedeutung der leicht entschlüsselbaren Symbolik in der Aufforderung zu unterstreichen. Dies also sind die Voraussetzungen zu einem Spiel, in dem der Gegner Neuseeland heißt, über den man quasi nichts weiß.
Nach dem Spiel weiß man ein wenig mehr. Fußballerisch sind die Kiwis eher beschränkt, doch wenn man sie hoch vor das Tor flanken lässt, sind sie gefährlich. Diese bittere Erfahrung musste die Slowakei zehn Sekunden vor Abfiff machen, als eine solche Aktion zum Ausgleich führte. Tragisch, denn das slowakische Team war während des gesamten Spiels besser, bemühter, bestimmend. Mit gutem Zug zum Tor agierten die Stürmer, einzig, sie fanden nur ein Mal durch den in der Bundesliga bekannten Robert Vittek den Weg ins Gehäuse. Das versetzte den slowakischen Hoffnungen auf ein Weiterkommen einen herben Dämpfer, denn ihnen rieselten zwei wichtige Punkte wie Sand durch die Finger.
Kopf hoch! Nehmt euch die Nationalhymne zu Herzen und wacht nach der Schockstarre wieder auf! Alle Mannschaften in dieser Gruppe sind jetzt gleich auf, das wird noch was!