Die Diskussion über Sinn und Unsinn dieses Spiel beendet Gerd Lemke mit der Feststellung: Es hat sich gelohnt zuzuschauen.
Was für eine Hitze über Mitteleuropa! Es waren sicherlich über 40 Grad auf dem Platz, die Sonne brannte am frühen Nachmittag gnadenlos auf die Schädel der Spieler und es gleicht einem Wunder, das alle dieses Spiel überlebt haben und niemand sich übergeben musste. Und als munteres Vorspiel für das kleine Finale gedacht, stimmte auch das Ergebnis: 6:4, also genau zwei Mal dreizuzwei. Dass ich die 75 Minuten auf dem Platz ohne Hitzschlag überstanden habe und mich sogar noch gut gefühlt habe, gleicht ebenfalls einem Wunder. Die Rückkehr auf den Platz nach zehnmonatiger, teils durch Verletzungen erzwungener Pause würde ich als durchaus gelungen bezeichnen. Gefühlt habe ich mich anschließend wie wohl Paolo Maldini in seiner allerletzten Saison, als er auf Wunsch der Vereinsleitung noch einmal zurückgekommen ist, um dem AC Milan aus der Krise zu helfen: Müde, im Wissen, dass man den Jungspunden nicht mehr richtig hinterherkommt, aber mit all der gesammelten Erfahrung und Routine immer noch mithalten kann.
In Südafrika hingegen regnete es abends in Strömen, kalt wird es wohl auch gewesen sein, einfach ein garstiger Winterabend, an dem dennoch erfrischender Fußball geboten wurde. Das lag zum einen an Diego Forlán, den besten Spieler des gesamten Turniers. Mit einem klasse-Tor erzielte er die zwischenzeitliche Führung für Uruguay und setzte mit einem krachenden Freistoß an die Latte den Schlussakkord in einem herzerfrischenden Spiel, in dem beide Mannschaften sich in kein allzu enges Taktik-Korsett gezwängt haben.
Weiter zu bestaunen war der beste Jungprofi dieses Turniers, Thomas Müller, der ebenfalls sein fünftes Tor erzielte und damit für die einsnull-Führung sorgte, allerdings sah der uruguayische Torwart bei dieser Aktion nicht gerade glücklich aus.
Und zu bestaunen war ein famoser Hansjörg Butt in seinem wahrscheinlich einzigen WM-Spiel seiner Karriere, er hat mit einigen tollen Paraden den Sieg für Deutschland gerettet, das ansonsten sicherlich mit mindestens einszuvier in Rückstand geraten wäre. Solch einen Torwart hat Deutschland auf der Bank sitzen, während für andere Mannschaften Torhüter zwischen den Pfosten stehen, die es in der Bundeliga wahrscheinlich nicht einmal auf eine Ersatzbank bringen würden.
Zu bewundern war auch Marcel Janssen, der sogar ein Tor köpfen durfte – dank großzügiger Mithilfe des Torwarts und des Vorstoppers des Gegners, die sich bei einer hohen und weiten Flanke gegenseitig im Weg standen. Er kam zu spät von seiner Verletzung zurück und hätte ansonsten ein wesentlich besseres Turnier gespielt. Außerdem ersetzte Dennis Aogo den kranken Lahm, Cacao den kranken Klose, der damit nicht mehr in der ewigen Torschützenliste der Weltmeisterschaft auf den führenden Ronaldo aufschließen konnte und bei der Marke von Gerd Müller stehen geblieben ist. Ihm wäre es zu gönnen gewesen.
Alles in allem war es ein munteres Spiel mit einem durchaus glücklichen Sieger, wobei es Sami Khedira vorbehalten war, das letzte Tor Deutschlands bei dieser WM zu köpfen.
Zu bewundern war auch Rabbi Löw, der immer noch offen lässt, ob dies sein letztes Länderspiel war. Ganz Deutschland außer Matthias Sammer wünscht sich ein Weitermachen.
Der Schluss gehört aber jetzt Uruguay, dem kleinen Land zwischen den großen Argentinien und Brasilien, dessen Pro-Kopf-Einkommen mit fast zehntausend Dollar im Jahr und dessen Kriminalitätsrate es auf das Niveau Westeuropas hebt. Uruguay hat von allen südamerikanischen Mannschaften den besten Fußball gespielt und hatte mit Diego Forlán den überragenden Mann dieses Turniers auf dem Platz: schnell, schnörkellos, enorm schussstark, aber genauso auch ein exzellenter Vorbereiter und Mannschaftsspieler. Bei ManU verschmäht, von Real unbeachtet, schoss er Atlético Madrid alleine zum UEFA-Cup-Sieg (ich weiß, der heißt jetzt anders, die Uefa, die kleine Schwester der FIFA, hat sich ein Wortungetüm ausgedacht, das mir weder über die Lippen noch unter die Finger kommen will, sicherlich hatte die Uefa dafür extra einen Wettbewerb und Preis ausgeschrieben, wie man aus einem griffigen Begriff ein Stück glitschiger Seife im Mund macht) und hat bereits zwei Mal den Goldenen Schuh für Europas besten Torschützen gewonnen. Und das in so „kleinen“, aber manchmal eben sehr feinen Teams wie Villareal (direkt neben Valencia) und eben Atlético Madrid. Ich drohe hiermit allen verbale Prügel an, die den besten Spieler des Turniers wählen dürfen und sich für einen anderen entscheiden! Seid also gewarnt, meine metaphorische Feder ist gespitzt und etwas Gift bereits in die Tinte beigemischt!