Die G 20 Staaten Großbritannien (in FIFA-Weltordnung: England), USA und Deutschland kommen durch verdächtige Einsnull-Siege weiter, findet Gerd Lemke.
Erstaunlich mäßig bevölkert zeigt sich der Rieger-Park im Herzen Prags, die Fan-Location schlechthin. Einige rothaarige Engländer unterstützen zwar ihr Team, teilen sich aber in Wirklichkeit in ManuU-, Chelsea- und Liverpool-Fans auf. Italiens englischer Trainer Cabio Fapello, stopp, Englands italienischer Trainer etc. lacht dem Zwergenaufstand von John Terry ins Gesicht und findet es nicht einmal nötig, den Rädelsführer ohne Rädel zu suspendieren. Terry muss also auflaufen, ohne seinem Kumpel Joe Cole geholfen zu haben. England spielt etwas engagierter und zielstrebiger als zuvor und das sollte am Ende zu einem dürftigen Einsnull reichen. Bis zur letzten Sekunde scheint dieser Sieg gefährdet, Slowenien schlägt weite und lange Bälle Richtung Tor – für einen normalen Torwart eine Lachnummer zum Aufwärmen, doch für englische Fans ein Grund, den Atem anzuhalten und dann in frenetischen Jubel auszubrechen. Poor old England, wird gleich klar, mit solch einem Handicap zu spielen bedeutet ungefähr so viel wie mit einem Mühlstein um den Hals in den Iron Man zu starten.
Im anderen Spiel lässt der Fußballgott Gerechtigkeit walten und gibt den USA das Tor zurück, das ihm gegen Slowenien gestohlen wurde. Algerien, das Team mit gefühlt einer Torchance nach einem groben Fehlpass des slowenischen Torwarts während des gesamten Turniers, ist draußen und hat überhaupt keinen Eindruck bei diesem Turnier hinterlassen. Deshalb fällt es dem werten Schreiber dieser Zeilen auch schwer, irgendeinen Spieler dieses Teams herauszuheben oder sonst etwas Positives zu sagen. Algerien war dabei und keiner hat’s bemerkt.
Deutschland macht es abends genau so und gewinnt glanzlos gegen Ghana mit Einsnull. Auch Ghana kommt dadurch als vermutlich einzige afrikanische Mannschaft weiter und der Verdacht erhärtet sich: Hier wurde im Vorfeld kräftig manipuliert, um das gewünschte Resultat zu erzielen, ein Achtelfinale zwischen Deutschland und England als Interessenmagnet. Das Spiel selbst ist erstaunlich fair, der nette Boateng hüben und der böse Boateng drüben, die Berliner Halbbrüder, treffen sich auf dem Platz zu keinem einzigen Zweikampf, Hans Sarpei, der kölsche Verteidiger drüben, kann sogar manchmal Thomas Müller stoppen und überhaupt finde ich, sollten beide Länder endlich eine Fan-Freundschaft schließen, so ähnlich sind sie sich in ihrer Spielauffassung. Ghana ist die wohl einzige einigermaßen funktionierende Demokratie Afrikas und deshalb spielen seine Fußballer auch einen disziplinierten und in der Defensive hervorragend organisierten Fußball. Schade, dass Anthony Yeboah, Ghanas ehemaliger Fußball-Botschafter in Deutschland (Vereine: 1.FC Saarbrücken, Eintracht Frankfurt) nur noch schlecht Deutsch spricht, so dass er sich nicht als Fernseh-Co-Kommentator eignet. Er hätte neben Alt-Star Günt(h)er Netzer viel Erhellendes über den ghanaischen und deutschen Fußball beitragen können.
Australien rehabilitiert sich vollends gegen Serbien, kann aber in der Tordifferenz das Manko des ersten Spiels (erinnern Sie sich noch? Nullzuvier gegen Deutschland) nicht mehr wettmachen und muss in allen Ehren und mit großem Zapfenstreich die Segel streichen, den Löffel abgeben, die Pantoffeln ausziehen, das Mannschaftsquartier und das gesamte Turnier sowieso verlassen.
Rechtzeitig vor dem G 20-Gipfel am Wochenende haben also die ökonomischen Großmächte bewiesen, dass sie trotz Krise immer noch in der Lage sind, sich das circensis für den plebs zu kaufen (das panem ja eh’). Jetzt schaut die ganze Bevölkerung am Wochenende auf das Achtelfinale statt auf die Politik und Angela Merkel kann vorerst aufatmen und in ihrer Politik der, tja, der was eigentlich, der John-Terry-liken Rebellionsattitüde der Koalitionspartner-Tolerierung (ich gebe zu, ein wahres Begriffsungetüm konstruiert zu haben) fortfahren. Nimmt sie sich an Capello ein Beispiel, der sicherlich seinen Macchiavelli als Gute-Nacht-Lektüre auf dem Nachttisch liegen hat.
Doch wer sind eigentlich diese G 20 und was sind deren Aussichten für die WM?
Deutschland, Großbritannien und die USA habe ich bereits genannt. Bleiben 17, darunter China, das Nordkorea als stellvertretendes Team geschickt hat, um handlungsfähig zu bleiben, ohne das eigene Gesicht zu verlieren, und Russland, das erstaunlicherweise dem reflexartigen Impuls, in einer früheren Sowjet-Republik in der Krise zu intervenieren, nicht nachgegeben hat. Die beiden größten Staaten der Welt lassen sich durch Fußball nicht ablenken. Indien auch nicht, doch das hat es ja noch nie getan, notfalls unterstützt man eben die ehemalige Kolonie England (oder war es umgekehrt?). Bleiben 15, Argentinien, Brasilien, Südkorea und Mexiko sind bereits weiterAustralien, Süd-Afrika und Frankreich sind draußen, Italien und Japan kämpfen noch ums Achtelfinale und der Rest hat sich vornehm dem Fußball enthalten. Die FIFA behält also einen gewissen Einfluss auf die weiteren Geschicke der Weltwirtschaft, man wird sehen, ob sie die Ölflut im Golf von Mexiko aufhalten kann.
Sondermeldung: Während des WM-Spiels hat Australien rechtzeitig vor dem G 20-Gipfel vollkommen geräuschlos die Regierungsspitze ausgetauscht, den bulligen rechten Verteidiger ersetzt nun eine schlanke Linksaußen, um beim Allstar-Team der G 20 die australischen Interessen im Walfanggeschäft und beim Schutz des Barriere-Riffs zu vertreten. Ein wahres Meisterstück in puncto Ablenkungsmanöver.
Außerdem schrille Töne aus Frankreich: Nach dem trostlosen Kick der équipe tricolore wendet sich die Bevölkerung vehemant gegen den Streik als Mittel der politischen Meinungsäußerung. Streikende Fußball-Millionäre? Non, pas de soutien pour les joueuers en grève, c’est la honte de la France. Au revoir et pqs à bientôt.