Kein anderer Bundeskanzler vor ihr wurde mit so vielen Hassparolen, Buhrufen und Pfiffen in Prag empfangen. Bereits im Vorfeld war die Stimmung in der Prager Bevölkerung gereizt. Tschechische Intellektuelle gaben in Interviews offen zu: "Wir hassen Merkel". Überraschend dürfte allerdings für westliche Medien die Art des Empfangs gewesen sein. Skinheads, Neo-Nazis, aber auch Bürger aus der Mitte der tschechischen Gesellschaft fanden sich an der Prager Burg ein, um zu demonstrieren. Damit die Nachrichten auch ankommen, wurden Plakate teilweise auf Deutsch formuliert. "Merkel muss weg!" oder "Blutige Merkel geh weg!" war darauf zu lesen. Auf den gelben Warnwesten der selbst ernannten Ordner (Die Polizei trug ebenfalls gelbe Warnwesten) war zu lesen: "Volkskoalition Morgendämmerung" (Úsvit Národní koalice) und "Block gegen den Islam" (Blok protí islamu). Unbestätigten Berichten zufolge, sollen in der Stadt insgesamt 9 Demonstrationen gegen den Merkelbesuch stattgefunden haben.
Demonstrant in Burka mit Kettenschloss entdeckt die Frauenrechte
Bereits Tage zuvor, am geschichtsträchtigen 21. August, verunsicherten Islamgegner den Altstädter Ring in Prag, indem sie als arabisch aussehende Leute (Kaftan und falsche Bärte) verkleidet mit IS-Flagge, Militärfahrzeugen und Maschinengewehren den von Touristen überfluteten Platz "im Namen des Islamischen Staates" besetzten, um mit dieser Aktion auf eine, ihrer Ansicht nach, bevorstehende islamisch-arabische Invasion hinzuweisen. Gewehrsalven, ob nun mit scharfer Munition oder Übungsmunition konnte nicht geklärt werden, wurden in die Luft geschossen. Dazu ertönte laut der Schlachtruf des IS "Allahu Akbar" - Allah ist groß. Medienberichten zufolge drohte eine Massenpanik auszubrechen, sodass die Polizei die Aktion abbrach. Der 21. August war nicht ohne Bedacht gewählt, wurde doch am 21. August 1968 der sog. "Prager Frühling" von den Truppen des Warschauer Pakt Staates blutig niedergeschlagen.
Schilder wie diese, geben die derzeitige Stimmung im Land wieder.
Von einer Invasion arabisch-muslimischer Personen kann allerdings kaum die Rede sein. Es sind nämlich nur wenige arabischstämmige Menschen in Prag oder Tschechien vorhanden. Allenfalls sieht man Touristen, aus reichen arabischen Ländern, wie u. a. Dubai oder Saudi-Arabien in der Stadt, die dieser Tage die Ereignisse völlig irritiert zur Kenntnis nehmen.
Block gegen den Islam. Das Logo erinnert an einen deutschen Ableger
Ein männlicher Demonstrant lief an der Straßenbahnhaltestelle der Linie 22 "Pražský hrad" (Prager Burg), an der auch täglich hunderte Touristen aussteigen, mit einer Burka bekleidet und einer Kette um den Hals inklusive Schloss herum, um gegen die Flüchtlingspolitik Angela Merkels zu demonstrieren. Andere Demonstrationsteilnehmer hielten Tafeln hoch, auf denen Merkel als Schwein dargestellt wurde.
Die Koalition des Volkes - Morgendämmerung (Alle Fotos: KK)
Die Botschaften aus Prag waren eindeutig. Andere Demonstrationsteilnehmer wurden trotzdem noch deutlicher und drohten mit auf Autos installierten Tafeln: "Frau Merkel, kein Diktat, sonst #czexit". Angela Merkel reagierte auf all dies mit ihrer üblichen Gelassenheit. Man wolle im Gespräch bleiben. Die heutige Schlagzeile in der WELT, Putin sei in Prag willkommener als Merkel, kann aus Prager Perspektive bestätigt werden. Doch dieses Stimmungstief kommt nicht von ungefähr, geht es doch auf Strukturen zurück, die bereits seit Jahren Einfluss auf die tschechische Bevölkerung nehmen. Dieser Einfluss kommt nicht nur von östlich der Moldau daher, sondern auch aus dem sächsischen Elbflorenz. Auch Lutz Bachmann traf Gleichgesinnte am Prager Náměstí Míru (Platz des Friedens) zu öffentlichen Kundgebungen, um die tschechischen Kameraden "vor dem Islam zu warnen". Wenn man nun noch einen Blick auf den ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus wirft, der erst kürzlich eine Gastrede beim Bundesparteitag der AfD in Stuttgart (im fließenden Deutsch) hielt, wird einem klar, welche Geflechte sich in den letzten 5 Jahren, nicht nur zwischen Deutschland und Tschechien, sondern in ganz Europa, etabliert haben und wie sehr dies eine Bewährungsprobe für ein vereintes, demokratisches und pluralistisches Europa darstellt.
Prag, 26.08.2016
Konstantin John Kowalewski
Alle Fotos: Kountouroyanis
Textkorrekturen am 27.08.2016 durchgeführt.
Artikellink: http://prag-aktuell.cz/blog/merkels-prag-besuch-zeman-bleibt-beim-nein-z...