Seit gerade mal 24 Stunden geht ein offener Brief des NDR-Journalisten und Preisträgers des Deutschen Fernsehpreises Michel Abdollahi durch die Online-Zeitungen (DIE ZEIT). Der 1981 im Iran geborene Conférencier, Performance-Künstler, Maler, Journalist und Literat kam im Alter von 5 Jahren mit seinen Eltern nach Hamburg, wo er wie jedes andere Kind auch deutschsprachig aufwuchs, sein Abitur machte und später Jura studierte. Seit 2007 trat Abdollahi immer häufiger vor der Kamera auf und ist seit 2014 als Außenreporter für das NDR-Kulturjournal tätig. Abdollahi beschritt einen ähnlichen Weg, wie er seit einigen Jahrzehnten in Deutschland immer üblicher ist. Beispiele hierfür sind der Quarks & Co Moderator Ranga Yogeshwar, der 1959 als Sohn eines indischen Ingenieurs in Luxemburg geboren wurde oder der aus zahlreichen Wissenschaftssendungen bekannte Hochschuldozent Mojib Latif, der pakistanische Wurzeln hat. Weitere Beispiele für Menschen mit ähnlichen Biographien gibt es wohl Tausende.
Abdollahi wandte sich in seinem offenen Brief zunächst über Facebook an die Bundeskanzlerin. Zusammengefasst richtet sich der 6 1/4-Seiten lange Brief mit der Kernaussage an Angela Merkel und die gesamte Bundesregierung: "Wir [die Menschen mit Migrationshintergrund] sind nicht die Mutter aller Probleme."
"Der Bundesinnenminister macht uns Menschen mit Migrationshintergrund zum generellen Problem. Er nennt uns die Mutter aller Probleme. Er schlägt den 19,7 Millionen Bürger*innen, deren Eltern mal aus einem anderen Land hierher gekommen sind, ins Gesicht. Er schlägt diesen hart arbeitenden Menschen, die sich zu Millionen nahtlos in die Gesellschaft integriert haben, ihre Steuern zahlen und ihren Anteil zum Erfolg Deutschlands beitragen, ins Gesicht. All den Putzfrauen*männern und Taxifahrern*innen, all den einfachen Arbeitern*innen, den Pflegekräften, den Menschen, die in diesem Land die Drecksarbeit übernehmen, genauso wie den Rechtsanwälten*innen, Ärzten*innen und Ingenieuren*innen, den Menschen in Wissenschaft und Forschung, Universitätsprofessor*innen, Bundestagsabgeordneten, Künstler*innen und Journalisten*innen ins Gesicht. Er schlägt ihnen und ihren Kindern ins Gesicht. Er macht sie alle zum Problem. Ich bin aber kein Problem. Und ich lasse es mir auch nicht einreden."
"Frau Bundeskanzlerin: Lassen Sie es nicht zu, dass sich die Geschichte wiederholt."
In emotionalen Worten beschreibt Abdollahi die Geschichte der Gastarbeiter und Emigranten, die seit 1945 - nicht nur in Deutschland -, oft genug den sozialen Abstieg, Diskriminierung und alltägliche Herabwürdigungen für die Hoffnung auf ein besseres Leben ihrer Kinder in Kauf nahmen. Bereits nach wenigen Stunden wurde der Facebook-Post mehr als 13.000 mal geteilt. Abdollahi beschreibt, wie er eine schleichende Unterwanderung des Rechtsstaates beobachtet, in der die systematische Ermordnung von Ausländern oder Menschen mit sogenanntem "Migrationshintergrund" durch eine rechtsradikale Terrorgruppe namens NSU in der Aufstellung der Bundesregierung über politisch motivierte Gewalttaten keine Erwähnung findet. Ein Skandal, der seinesgleichen in Europa sucht.
Nachdem mehr und mehr Menschen Abdollahi anschrieben und offensichtlich fragten, wo und ob sie diesen Brief mitunterzeichnen könnten, hat Abdollahi ihn vor ca. 6 Stunden (!) kurzerhand auf die Petitionsplattform change.org eingestellt. Bereits nach kurzer Zeit wurden fast 2000 Unterschriften gesammelt und im Sekundentakt unterzeichnen zur Zeit immer mehr Menschen diese Eingabe an den Bundestag.
#OffenerBrief an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und die Bundesregierung auf Change.org
Prag, 11.09.2018
Konstantin John Kowalewski