Es waren gerade mal knapp über 50 Infizierte in Tschechien, als auf der Prager Burg schon sämtliche Alarmglocken schrillten. Am Freitag, den 13. März, war Tschechien bei 141 Infizierten. Der bevorstehende Lockown war bereits abzusehen und jeder wusste, dass er nur noch wenige Tage für seine Besorgungen Zeit hatte. Am Sonntag, den 15. wurde schließlich die landesweite Quarantäne für Mitternacht ausgerufen. Da war Tschechien gerade mal bei 298 Infizierten. Weitere Maßnahmen folgten in immer kürzeren Intervallen. Deutsche Medien kommentierten die Maßnahmen in Tschechien als Handlungen eines "populistischen" Premierministers Andrej Babis, nicht ohne süffisanten Unterton. (Diese Meldung wurde über den Newsticker zahlreicher Medien in Deutschland im immer gleichen Wortlauf - vermutlich als Pressemitteilung - verbreitet. DIE WELT, t-Online.de, u.a.).
Tschechien: Mit Transparenz und klarer Ansage
Dass ich die Infektionskurve hier so genau wiedergeben kann, liegt nicht an meiner evtl. außerordentlichen Gedächtnisleistung, die ich bisher meinen Mitmenschen verschwiegen hätte. Die Zahlen sind schlicht und ergreifen auf der Webseite des tschechischen Gesundheitsamtes [https://onemocneni-aktualne.mzcr.cz/covid-19] nachzulesen und werden ständig aktualisiert. Von Anfang an herrschte in Tschechien Transparenz und eine klare Ansage. Zwei Maßnahmen, die in Deutschland bis heute auf sich warten lassen. Auch auf der Webseite des Bundesamtes für gesundheitliche Aufklärung gibt es bislang nur lapidare Empfehlungen und allgemeine Hinweise zum Corona-Virus, statt detaillierter Informationen, während die Corona-Statistik für Deutschland auf der Seite der tagesschau.de bislang eher nur schleppend aktualisiert wurde.
Deutschlands Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, auch ohne Corona
Statt klarer Ansage, verlor sich der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn in wochenlangen Diskussionen mit Journalisten und, tja, wie soll man das nennen? Optimismusfloskeln? Deutschland sei gut aufgestellt. Deutschland habe ein gutes Gesundheitssystem. Kein Wort vom Warnstreik, der Ärzte und Pflegekräfte wenige Wochen in Hannover zuvor, die vor dem drohenden Zusammenbruch des deutschen Gesundheitssystems warnten. Kein Wort über den akuten Pflege- und Ärztemangel, den es seit Jahren schon in Deutschland gibt und den das Land mit Abwerbung von Fachkräften aus anderen EU-Staaten begegnen will. Kein Wort davon, dass seit Jahren in deutschen Krankenhäusern Pflegekräfte selbst an den Folgen einer kapitalistischen Ausbeutung erkrankten und reihenweise aus dem Beruf ausstiegen. Immerhin: Ihnen allen dankte die Kanzlerin in ihrer Ansprache, die vorgestern im Anschluss an die tagesschau auf dem gleichen Kanal gesendet wurde, für ihr Engagement. Genau darauf haben wohl sicherlich viele Pflegekräfte und Ärzte in Deutschland gewartet. Kein Wort von besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen, sondern einfach nur: Haltet durch, für mich und für euch!
Link zum Thema: Deutsche Ärzte im Warnstreik warnen vor Kollaps des deutschen Gesundheitssystems
Junge Leute feiern Corona-Parties in Deutschland
Während die europäischen Nachbarn mit Sorge auf den förderativen Staat blickten, kamen selbst aus Deutschland warnende Stimmen, wie z. B. vom Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der die Absage aller Veranstaltungen vehement forderte. Von Jens Spahn kamen und kommen weiterhin lediglich "Empfehlungen". Zwischenzeitlich ist Karl Lauterbach selbst mit dem Virus Infiziert und in Quarantäne. Auch nach der Ansprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel, am vergangenen Mittwoch, wurden Deutsche, in Deutschland lebende Ausländer und andere EU-Bürger bitter enttäuscht. Mit sanften Worten appellierte die Kanzlerin an die Vernunft der jungen Menschen - die in Deutschland noch immer Corona-Parties feiern, und rief zu mehr Solidarität auf.
Der Feind ist ein Virus!
Diskussion, Einsicht und Eigenverantwortung sind in einer - funktionierenden (!) - Demokratie eine gute Sache. Aber wenn ein Land angegriffen wird, muss es nach außen hin sich verteidigen können und nicht wochenlang über die richtige Verteidigungsform diskutieren. Der Feind ist im Moment nicht der Osten oder irgendeine religiös-extremistische Gruppe, sondern ein Virus. Ich frage mich, was Deutschland machen würde, wenn morgen früh eine Handvoll Ufos aus H. G. Wells "Krieg der Welten" vor dem Reichstagsgebäude landen würde. Würde die Regierung dann diese Glibbermännchen auch zu Kaffee und Kuchen auf eine Diskussion ins Bundeskanzleramt einladen?
Deutschland verspielt kostbare Zeit: Es ist die Lebenszeit der Menschen!
Deutschland warf in der Vergangenheit anderen EU-Mitgliedsstaaten ein uneinheitlichen Handeln in der Corona-Krise vor und sprach ihnen damit Kompetenz ab. Doch der angebliche "Musterschüler Europas" kann offenbar noch nicht einmal sein eigenes Land mit der gebotenen Einheitlichkeit regieren. Während Bayern schon im Krisenmodus ist, kann man in Niedersachsen noch Freizeitaktivitäten genießen. Unterdessen sind bereits Tausende mit dem Virus infiziert und weitere Menschen gestorben. Deutschland verspielt kostbare Zeit!
Als erste werden Alte und Kranke sterben - Das wären künftige Rentenempfänger
Sterben werden zu allererst diejenigen, die alt und/oder krank sind. Also zukünftige Rentenempfänger, die in ihrem Leben zuvor hart für das deutsche Sozialsystem gearbeitet und somit Deutschland über die Euro-Krise hinweggerettet (und Gerhard Schröders Agenda 2010 umgesetzt) haben. Das sind keine abstrakten Begriffe. Ich denke hier an ganz konkrete Menschen in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis. An Krankenschwestern mit Burnout, an Maurer, mit verschlissenem Rücken, an herzkranke - jahrelang auf Honorarbasis (!) bezahlte - Lehrer mit Bypass und vielen mehr. Ihnen allen rief Angela Merkel zu, dass jetzt mehr Solidarität, mehr Eigenverantwortung und weniger Egoismus gefragt sei. Wer sich jetzt nicht freiwillig zurückhält, verhält sich egoistisch. Mit Verlaub Frau Kanzlerin: Egoistisch verhält sich gerade die Bundesregierung, wenn sie es einfach nicht fertig bekommt, harte Maßnahmen gegen das Virus umzusetzen. Die Uhr zeigt nicht auf 5 vor 12, sondern bereits auf 15 Uhr! Schon jetzt sind mehr als 15.000 Menschen in Deutschland infiziert und wenn es so weiter geht, wird Deutschland zum neuen HotSpot für das Virus, von wo aus es andere EU-Staaten und die Welt infizieren könnte; nein wird! Genau dies ist auch eine Form von Egoismus!
Link zum Thema: Deutscher Entertainer fordert Merkel zum sofortigen Shutdown auf.
Sind Forderungen nach Grenzschließungen und Lockdown rechtspopulistisch?
Die Forderungen nach geschlossenen Grenzen, nach landesweiter Quarantäne, nach Ausgangssperre, sind keine Erfindung von rechten Parteien, auch wenn diese von ihnen mehrfach geäußert wurden. Sie sind im Moment schlichtweg medizinisch notwendig. Es geht um ein Virus und nicht um eine Ideologie. Aus Angst vor dem Vorwurf des Rechtspopulismus medizinisch-notwendige Maßnahmen nicht umzusetzen, könnte gerade eher rechten Parteien in die Hände spielen. Was die Menschen jetzt brauchen ist Sicherheit, Transparenz und klare Ansagen. An einer womöglich innenpolitischen Krise, die auf das Corona-Virus folgen könnte, ist damit die Bundesregierung selbst schuld, wenn sie an dieser Stelle in einen endlosen Diskussionsmodus verfällt. Der deutsche Entertainer Oliver Pocher, der sicherlich unverdächtig in Sachen Populismus erscheint, fordert ebenfalls die Kanzlerin zum sofortigen Handeln auf. "Sie", die jungen Leute in Deutschland, "begreifen es einfach nicht" appellierte Pocher an die Kanzlerin und forderte den "Shutdown" für Deutschland. Es gebe "zu viele dumme Leute" in Deutschland. Genau für diese Leute sind klare Ansagen und Maßnahmen notwendig, denn es geht um unser aller Leben.
Frau Merkel! Hören Sie und Ihr Stab auf zu diskutieren! Handeln Sie! Jetzt! Schützen Sie Deutschland! Gefährden Sie nicht Europa! Retten Sie meine Verwandten und Freunde in Deutschland! Es ist ernst! Nehmen Sie es auch ernst!
Prag, 20.03.2020
Konstantin John Kowalewski