Stellen Sie sich vor, Sie wollen bei Facebook oder sonst einer Plattform ein Bild oder ein Filmchen von Ihrem letzten Urlaub hochladen, doch der Upload bricht mit der Meldung ab, dass Sie versucht hätten, illegale Inhalte zu veröffentlichen. Natürlich warten dann auch schon Polizei und Staatsanwaltschaft auf Sie, um den Fall zu untersuchen. Worum geht es in diesem Szenario? Die Rede ist von den geplanten Upload-Filtern, die nach dem Willen von Lobbyisten und Politikern EU-weit eingeführt werden sollen. Vorgeblich soll das geplante Gesetz dazu dienen, der angeblich massenhaften und vor allem angeblich durch Männer (vgl. dpa-Meldung bei Heise.de) begangenen Software- und Videopiraterie Einhalt zu gebieten. Dass also aufgrund der Interessen weniger damit auch ein erheblicher Eingriff in die Bürgerrechte eines ganzen Kontinents erfolgt, scheint besonders Politiker der konservativen CDU in Deutschland weniger zu interessieren. Denn es war Axel Voss von der CDU (deren Vorsitzende Kanzlerin Angela Merkel ist) der den sog. "Kompromissvorschlag" zur Urheberrechtsreform in das EU-Parlament einbrachte, welches Anfang Juli abgelehnt wurde - vorerst! Am 12. September sollen die Parlamentarier darüber abstimmen, wie es mit dem Vorschlag weitergeht. Die Frist für Änderungsanträge läuft bis zum 5. September.
Am morgigen Sonntag, dem 26.08.2018, geht es aber nicht nur um die brisanten Upload-Filter, sondern auch um das sog. Leistungsschutzrecht, das vorsieht, dass Google, aber auch andere Online-Dienste nicht mehr ohne weiteres Textauszüge (Snippets) verschiedener Zeitungen zusammenstellen und veröffentlichen dürfen. In der Praxis gibt es zahlreiche Online-Dienste, aber auch Pressebüros, die eine Presseschau erstellen und sie anschließend zur Originalseite verlinken. So auch prag aktuell. Dass damit den Verlagen im Grunde Leser vermittelt werden, will in die Köpfe konservativer Verleger und Politiker nicht rein. Vielmehr sollen diese Diensteanbieter Geld für die Bereitsstellung der Kurztexte und Links an die Verleger zahlen. Deswegen wird auch Morgen um 15 Uhr in Berlin ein Demonstrationszug vom Brandenburger Tor zum Axel-Springer-Haus ziehen. Das Medienhaus gehört nämlich zu den vehementesten Unterstützern des Leistungsschutzrechts. Ebenfalls morgen sollen auch an weiteren Orten in Deutschland Demonstrationen stattfinden, wie u. a. in Karlsruhe, Hamburg und Köln, aber auch in vielen anderen Städten der EU, so auch in Prag.
Einem FAZ-Artikel zufolge, sollen angeblich die bereits vorausgegangenen Proteste im Netz gefälscht gewesen sein. Dies behaupten dem Bericht zufolge jedenfalls Befürworter der Gesetzesnovelle. Dem widerspricht Julia Reda von der bundesdeutschen Piratenpartei und Urheberrechtsexpertin im EU-Parlament, und ruft auf ihrer Internetseite zu einem EU-weiten Protest am morgigen Sonntag auf, um zu zeigen, dass der Widerstand real ist und nicht durch angeblich manipulierte Einträge automatisierter Programme, sog. Bots, fälschlich erzeugt wurde. Unter dem Hashtag #SaveYourInternet soll eine Demonstration am Palackého náměstí von 16:00 Uhr - 18:00 Uhr in Prag stattfinden.
Die Internetseite: https://saveyourinternet.today/ gibt eine Übersicht über sämtliche am Sonntag stattfindenden Demonstrationen in der EU, die sich gegen die Gesetzesnovelle richten.
Nachdem Tausende von Internetseiten in den letzten Monaten aufgrund der EU-DSGVO (hierzulande als GDPR bekannt) bereits vom Netz genommen werden mussten (Prag Aktuell berichtete) und auch in Tschechien die Medienmonopolisierung aufgrund wirtschaftlichen Betreibens des Premierministers Andrej Babiš ein enormes Ausmaß angenommen hat, dürfte eine hohe Beteiligung zu erwarten sein.
Was: Demonstration #saveyourinternet
Wo: Palackého náměstí
Wann: 26. August 2018, 16h - 18h
Infos: https://www.facebook.com/events/2135771473347359/
Prag, 25.08.2018
Konstantin John Kowalewski
Update: Wie das Online-Magazin heise.de berichtet, haben Unbekannte die Aktionsseite www.saveyourinternet.today fälschlicherweise als Spam gemeldet, was dazu führte, dass die Seite als "schädlich" (also angeblich virenverseucht) eingestuft wurde und Internetnutzer vor dem Öffnen der Seite irrtümlich gewarnt wurden. Insider vermuten dahinter einen Angriff, um den Demonstrationsaufruf zu torpedieren.