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| | Musik | 27.6.2010

In The Golden Circle – 16 Stunden Sonisphere Festival

Erst war es nur so ein Gedanke, dann wurde es zu einer fixen Idee und letztlich zur Obsession: Ich wollte meinen 25. Geburtstag auf dem Sonisphere-Festival feiern und mit den Big 4 des Trash-Metal ein Vierteljahrhundert alt werden! Doch die Umsetzung der Obsession war schwierig. Erst mal die Suche nach einer adäquaten Begleitung. Schließlich will man ja nicht mit irgendwem seinen 25. Geburtstag feiern, aber auch nicht jeder mit dem man seinen Geburtstag feiern würde, eignet sich fürs Sonisphere. Wir reden hier ja von 16 Stunden vor der Bühne stehen, egal ob bei Regen oder praller Sonne. Und mit vor der Bühne meine ich auch genau das. Ich hatte nämlich keine Lust, mich mit 40.000 Menschen irgendwo einen Kilometer von der Stage entfernt um ein bisschen Platz zu prügeln und Metallica, Slayer, Megadeath und Anthrax in Größe von Strichmännchen am Ende des Horizonts rumwackeln zu sehen. Doch da war schon das nächste Problem. Nicht dass es keine Tickets gegeben hätte, die einem das erlauben. Doch die waren verdammt teuer. Da wir uns ewig nicht entscheiden konnten, wer nun mitkommt und überhaupt, waren sie am Ende bei über 4000 Kronen und damit way out of possibility. Da ich aber ein Sturkopf bin, und mir in den Kopf gesetzt hatte, in der ersten Reihe zu stehen, musste eine Alternative zum hiesigen Ticketverkauf her. Das Zauberwort war Ebay. Drei zwei eins meins hatte ich dann zwei Tickets für den Golden Circle, also den Wellenbrecher direkt vor der Bühne, für den Preis von zwei einfachen Stani-Tickets ergattert. Die kamen dank eines superlieben Ebayers und zufälligen Besuchs aus Deutschland dann auch noch rechtzeitig am Freitag bei mir an.

Samstagmorgen fand ich mich dann zu ganz unchristlicher Zeit wach, Tausende von Dingen in meine winzig kleine Tasche stopfend und dann zum Bahnhof laufend wieder. Dort war ich dann nicht die einzige Schwarzgewandete. Ungefähr halb Prag schien sich auf nach Milovice, wo das Event stattfand, zu machen. Endlich kam auch meine Begleitung vollbepackt um die Ecke. Erst fand ich es ja albern, dass die zwei für ein ein-Tages-Festival beide riesige Rucksäcke mitschleppten, aber dann stellte sich heraus, dass das wirklich eine gute Idee war. Nicht nur, dass sie jede Menge Essen bei sich hatten. Nein da war auch ganz viel Platz für meine Klamotten. In Anbetracht des Wetters, was sehr nach Regen aussah, hatte ich nämlich geschätzte drei Zwiebellooks übereinander angezogen. Doch dann schien tatsächlich den ganzen Tag die Sonne und ich holte mir einen dicken Sonnenbrand.

Nun quetschten wir uns aber erst mal in den Zug und verpassten den Anschlusszug in Lysa nad Labem, wo wir umsteigen mussten. Verpassten ist dabei nicht ganz das richtige Wort, denn Zeit war weniger das Problem, eher Platz. Der Zug war nämlich schon rammelvoll als wir am Gleis ankamen, sodass wir trotz genügend Zeit nicht reinkamen. 30 Minuten später waren wir dann erfolgreich und weitere 15 Minuten später in Milovice. Nun begann eine nicht enden wollende Wanderung zum Festivalgelände. Auf der Homepage war die Rede von zehn bis 15 Min. Tatsächlich dauerte es mehr als eine halbe Stunde, über Felder und durch den Wald. Und dann tauchte das Festivalgelände endlich zwischen den Bäumen auf. Damit war ja die erste Hürde schon mal genommen. Dann machten wir nun erst mal Picknick vor dem Einlass. Ich verteilte die quietschgelben Mülltüten, alias Regenjacken und dann begaben wir uns rein. Vorbei an tausend Bierzelten, Merchandiseständen und einigen Fahrgeschäften schoben wir uns in Richtung Goldener Circle. Leider verschob sich aber der Einlass in den Zuschauerbereich nach hinten, sodass wir uns mit einer riesigen Masse Menschen erst mal vor einem Gatter wiederfanden, gut bewacht  von einem Dutzend Securities. Und da passierte es dann. Eigentlich hatten wir ja so einen guten Plan, das Festival zu überleben: Alkohol erst ab frühestens sieben Uhr abends! Doch als wir da so standen und auf der anderen Seite des Zaunes das Bier für die wartende Masse feilgeboten wurde, da wurden auch wir schwach. Da war es 12. Eine halbe Stunde später fühlte ich mich dann das erste Mal betrunken an diesem Tag. Schließlich hatte ich noch nichts gegessen und die Sonne knallte mir frontal auf den Kopf.

Weitere 30 Minuten später war es dann endlich soweit und das Gatter ging auf. Wie die Irren rannte die Masse los, um sich die besten Plätze zu sichern, wir hinterher. Noch eine Sicherheitskontrolle später, ob man auch wirklich in der erlauchten Kreis reindarf und wir standen am Wellenbrechen. Also erste Reihe direkt vor der Bühne, der Mainstage wohlgemerkt. Doch bevor wir einen Freudentanz aufführen konnten, mussten wir erst mal die Blase entleeren. Da waren schließlich inzwischen zwei Bier drin. Gott sei Dank waren Toiletten gleich neben dem Eingang in den Goldenen Circle, sodass wir während des 16 Stunden Marathons immer mal wieder aufs Klo gehen konnten. Immer nur einer, während der Rest die Plätze bewacht, versteht sich.

Eine Bier- und Essenpause später, nachdem wir uns aus Jacken, Taschen und Rucksäcken ein richtig gemütliches Nest gebaut hatten, und uns mit dem ca. 15-jähirgen Nachbar am Wellenbrecher bekannt gemacht hatten, kam dann die erste Band auf die Bühne. Panic Cell aus UK. Ging gut ab. Leider aber nur eine halbe Stunden. Dann gab‘s 30 Minuten Umbaupause und die crazy Typen von DevilDriver traten auf. Meiner Meinung nach ein Hauch zuviel Speedmetal in der ganzen Komposition, aber das ist nur meine Ansicht. Die „Masse“, denn noch war der Golden Circle relativ leer, ging aber gut ab. Vor allem als Frontsänger zu einem Cirkelmoshpit aufrief und die Leute wie die Bekloppten anfingen, im Kreis zu laufen und sich dabei zu schubsen und das alles in praller Mittagssonne.

Die nächste Pause läutete dann die Big 4 ein. Anthrax machten den Anfang. Joey Belladonna rannte wie ein Irrer eine Stunde über die Bühne. Bald stand er am linken Rand, Sekunden später am rechten, dann in der Mitte. Zwischendrin zog er sich dann auch einen indianisch anmutenden Federschmuck über den Kopf und flitze einmal über die Stage. Bei allem war er aber stets auf Interaktion mit dem Publikum aus, dem er mal den Stinkerfinger zeigte, mal nett zuwinkte. Sehr appetitlich für seine über 40 war auch Bassist Frank Bello.

Schlag auf Schlag ging es nun weiter mit Megadeath. Dave Mustaine erinnerte mich mit seiner blonden Wallemähne und dem weißen Hemd unwillkürlich am meine große Liebe Robert Plant (der Sänger von Led Zeppelin für die, die nicht wissen um wen es ich her handelt). Musikalisch etwas weniger treibend als Anthrax, war auch das ein Hammerkonzert. Sehr zu meiner Freunde hatte der doofe Kameramann, der mir eh schon immer im Weg stand, bei allen Fotos nun beschlossen, das Stativ, welches er im übrigen gar nicht benutzt, mir genau in den fototechnischen Weg zu stellen. Somit habe ich auf allen Fotos, die ich ab diesem Zeitpunkt gemacht, habe ein Stativ. Herzlichen Dank.

Aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen sprangen als nächstes die Jungs von Alice in Chains auf die Bühne. Warum mich das verwirrte? Naja, das ist keine Metalband, eher Grunge und damit meiner Meinung nach auf dem Sonisphere und der Mainstage nicht so ganz richtig. Ähnlich sah es auch das Publikum. In einer großen Wellenbewegung leerte sich der Golden Circle, nur die Leute in der ersten Reihe blieben stehen. Und denen sah man die Langeweile auch deutlich an.

Viele nutzen diese „Pause“ nun für ein Nickerchen auf der Wiese oder wappneten sich sonst wie für das, was nun kam. Denn nun kamen Slayer auf die Bühne, denen dann Metallica folgen sollten. Das hieß im Klartext, dass man für die nächsten drei Stunden den erlauchten Kreis besser nicht verließ, wollte man jemals wieder reinkommen. Sehr zu unserer Freude wappnete sich der ergraute Mittvierziger mit seiner blonden Barbiefreundin hinter uns auch. Und zwar um sich in die erste Reihe zu drängen. Erst versuchte er es ganz „unauffällig“ sich mit Patschehändchen auf dem Wellenbecher abzustützen, um sich so einen Korridor zu verschaffen und dann seinen Hintern reinzuquetschen. Als wir auf sein Gedränge mit Druck reagierten, fing er doch tatsächlich an, sich zu beschweren. Als das Rumjammern nichts half, versuchte er es mit ausziehen und präsentierte uns seinen verpickelten und behaarten Rücken. Doch wenn er dachte das würde uns verschrecken, hatte er sich getäuscht. Die Fotoschnecke bohrte ihm den Ellenbogen in die Rippen, woraufhin er sich beschwerte, sie habe ihn geschubst. Bevor wir das doch endgültig ausdiskutieren konnten, kamen Slayer on Stage. Das mit ihnen einsetzende Stagediving machte die Security sichtlich nervös. Plötzlich wurde die Zahl der gelbgewandeten Männchen vor der Bühne verdoppelt und kurzzeitige war auch die Feuerwehr da. Meiner Meinung nach ja ziemlich übertrieben, da wenn es wirklich viele waren, ca. 25 Diver geflogen kamen. Aber gut, die Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und bei Slayer weiß man ja nie.

Und dann war es endlich soweit. Schreie der Verzückung waren aus allen Richtungen zu hören, als James Hetfield auf der Bühne auftauchte. Ohne großes Blabla fingen Metallica zu spielen an. Obwohl es nun 22 Uhr abends war und die Massen seit Stunden auf den Beinen, schien plötzlich alle Müdigkeit verflogen. Mir wurde schlagartig klar, es gibt zwar die Big 4 des Thrashmetals, aber Metallica waren die Könige des Abends. Wie ein großer einstimmiger Chor wurden sämtliche Lieder mitgesungen, die Masse war in Extase. Und dann passierte es: Kurz nach „Nothing Else Matters“ und „Enter Sandman“ wurde ich 25 und das inmitten von 40.000 Leuten genau zur Hälfte des Metallicagigs. Einfach der absolute Wahnsinn. Wie bestellt setzten dann auch die Pyroeffekte auf der Bühne sein, sodass ich sogar noch ein kleines Feuerwerk bekam.
Eine Stunde später war dann der Zauber vorbei, Metallica machten sich von der Bühne und das ohne das von mir ersehnte „Unforgiven I“. Vorher erging noch ein Regen von Plecs über die Fans. Da uns aber ein großer Graben von der Bühne trennte, landetet der Großteil dort. Hier machte sich nun die Security daran, diese einzusammeln. Jedoch nicht etwa, um die an die Fans weiterzureichen, sondern um sie an die Fans zu verkaufen. Fand ich ziemlich daneben muss ich gestehen!

Benommen von diesem Tag kokelten wir dann aus dem Goldenen Zirkel, trieben uns noch zwei Stunden auf dem Gelände rum, um schließlich in stockdunkler Nacht die Wanderung zurück zum Bahnhof anzutreten. Dort mussten wir nun noch 'ne Stunde rumtreiben, bis der Zug nach Prag endlich kam. Hier merkten wir dann richt, dass wir doch ziemlich fertig waren. Fast 24 ohne Schlaf, den ganzen Tag auf den Beinen, unzählige Biere und Dauerbeschallung hatten uns doch etwas lädiert. Doch getreu dem Motto „Schlafen kannst du, wenn du tot bist“, haben wir das Warten auf den Zug auch überlebt und sind dann  noch eine Stunde später bei Sonnenaufgang in Prag angekommen. Für mich persönlich ja ein sehr schöner Abschluss dieses megageilen Geburtstages.

Bildnachweis:
Mnika Kindermann

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