Ok, ich gebs zu, ich mag Kram. Ich sammle Kram. Das ist meine Art, mich an Sachen zu erinnern. Immer, wenn ich etwas Tolles mache, irgendwo hinfahre, dann nehme ich mir Erinnerungen in Form von kleinen Souvenirs mit. Von meiner Zeit in Prag habe ich schon eine große Kiste voller Erinnerungen zum Anfassen. Ein Dutzend Konzertkarten, zwei Plecs, Münzen, getrocknete Blumen, Eintrittskarten, zwei Bierkrüge vom Bierfest, ein Drumstick und so weiter und so weiter. Das ist auch der Grund, warum ich Flohmärkte mag. Da gibt es viel Kram, alten Kram, an dem Erinnerungen von vielen Menschen hängen. Und als ich dann vor einiger Zeit erfuhr, dass es in Prag Tschechiens größten Flohmarkt geben soll und das jedes Wochenende, war ich sofort Feuer und Flamme und wäre am liebsten sofort hingegangen. Aber wie das so ist, wenn man ein Rock ‚n’ Roll-Leben führt, dann gibt es gewisse Verpflichtungen, die man erledigen muss. Die Rede ist hier von diversen Konzerten im Vagon oder sonst wo im Prager Untergrund bis früh in den Morgen. Das wiederum bedeutet, dass ich schlafe, wenn die ideale Zeit wäre sich auf zum Flohmarkt zu machen. Denn wer die besten Schnäppchen haben will, muss früh dran sein, das ist in Tschechien nicht anders als in Deutschland.
Vor ein paar Tagen ließ ich dann schweren Herzens ein Konzert ausfallen, schlug mir einmal nicht die Nacht um die Ohren, um mich dafür mit ganz viel Kram zu entschädigen. Morgens um kurz nach sieben saß ich in der gelben Metroline und fuhr in den Stadtteil Vysočany. Um halb acht stand ich an der Metro-Station Kolbenova. Wer nicht da stand, waren der Blasehase und die Fotoschnecke. 15 Minuten später kam der Blasehase und eine geschlagene halbe Stunden später die Fotoschnecke. Gut, dass ich noch so schlaftrunken war, sonst wäre ich vielleicht etwas sauer gewesen. Schließlich ist halb acht beziehungsweise acht Uhr schon sehr spät für guten Kram, denn der Flohmarkt öffnet seine Tore bereits um sechs.
Wir schlurften also alle drei total übermüdet der Masse hinterher. Die führte uns über die Straße und schon standen wir vor dem Gelände, auf dem Massen von Kram auf mich warteten. Brav zahlten wir die 20 Kronen Eintritt und gingen durchs Drehkreuz. Kaum waren wir drinnen, machte sich erst mal Enttäuschung breit. Das sollte der größte Flohmarkt in Tschechien sein? Und vor allem Flohmarkt? Soweit wir sahen wurde nur Neuware feilgeboten. Eigentlich sah es akkurat so aus, wie diese riesigen Asiatenmärkte und das nicht nur, weil an den Ständen überall Asiaten standen. Und dann verbat uns der Sekuritymensch auch noch das Fotographieren. Dabei wäre die Lokation so gut gewesen. Aber nur waren wir schon mal hier und beschlossen, das Beste daraus zu machen.
Wir schlenderten los und beschlossen, zunächst einmal das Gelände zu umrunden, bevor wir uns in die einzelnen Gassen schlagen wollten. Vorbei an Toilettenbedarfsartikeln jeglicher Art, jeglicher Colour und jeglichen Duftes, diverse Handys, Ladegeräte, Autoradios, Föhne und sonstige Elektrogeräte hinter uns lassend, entdeckten ich den ersten Schatz des Tages. Ok gut, entdeckt hat ihn die Fotoschnecke, denn der Verkäufer bot auch eine Menge DVDs an. Und die Fotoschnecke ist süchtig nach DVDS, was wir an diesem Tag in seiner vollen Bandbreite zu spüren bekommen sollten. Doch zunächst mehr zu ihrer Entdeckung. In einer der kleine Hütten am rechten Ende des Flohmarkts bot ein etwas grießgrämiger Mann nicht nur abertausende von DVDs an, sondern auch dutzende von Fanshirts. Metallica, Led Zeppelin, Korn, Nirvana – alles da und jedes Shirt für nur 150 Kronen. Klar gefälscht, aber wen stört das?
Doch bevor ich nun mein ganzes Geld gleich am ersten Stand ausgeben konnte, wurde ich von den beiden Damen erst mal weiter gezogen. Als nächstes passierten wir dann eine Fressmeile. Etliche Stände mit allem was das kulinarische Herz morgens um halb neun gerne hätte. Bratwürste, Pizza, Kartoffelpuffer. Dazu gab es wahlweise Bier oder Kaffee, der eher aussah wie Spülwasser und in kleinen ranzigen Plastikbechern serviert wurde. Gut, dass ich keine Kaffee trinke, mir war es egal. Aber der Blasehase litt extrem unter Koffeinentzug und war über dieses Missachtung der Hygiene nicht erfreut. So ging es also ohne Kaffeepause weiter. Langsam waren wir auch am Ende der Weges und vor uns erstreckte sich nun ein riesiges flaches Areal vor der Kulisse einiger halbverfallener Fabrikgelände. Jetzt konnten wir glauben, dass es der größte Flohmarkt Tschechien sein sollte. Und so langsam kam auch die wirkliche Flohmarktware zum Vorschein. Auf kleinen Tischchen oder auf Decken auf dem Boden liegend, boten die Leute allen erdenklichen Kram feil. Von altertümlichen Küchengerätschaften über altes Spielzeug, Schmuck, Antiquitäten, bis zu beschriebenen Postkarten und Massen alter Fotos. Mein persönliches Highlight als Geschichtsstudentin war jedoch eindeutig der Stapel kommunistischer Parteimitgliedsausweise. Leider zögerte ich zu lange und dann waren die schon verkauft.
Je weiter wir in das Innere des Flohmarktes vordrangen, desto deutlicher wurde dessen Ambivalenz. In einem bunten Gewirr aus Farben und Formen mischten sich Neuware und Altes wild durcheinander. Der Waffenhändler mit der Halbautomatik und der Munition neben der alten Oma die ihr letztes Hab und Gut anzubieten schien. Damenunterwäsche auf Wühltischen neben Autoreifen und gleich daneben Sofas und Betten. Es gab einfach nichts, was es nicht gab.
Stunden über Stunden gruben wir uns durch all das Angebot, alles einem ausgeklügelten Plan der Fotoschnecke folgend, um auch ja keine „Passage“ des Flohmarktes auszulassen. Ich persönlich denke ja das hat sie nur gemacht, damit wir auch an allen DVD-Ständen vorbeikamen und davon gab es unendlich viele.
Gegen Mittag begannen wir dann alle so langsam zu schwächeln. Von oben bis unten mit Staub bedeckt, müde und hungrig, aber immer noch nicht pleite, beschlossen wir eine letzte Runde zu drehen. Ich wollte unbedingt noch mal zu den Bandshirts, hatte ich vorhin doch keines gekauft. Sehr zu meiner Enttäuschung musste ich dann feststellen, dass diese lediglich in Größe M aufwärts verfügbar waren. Auch wenn ich in meiner Zeit in Prag zugenommen habe, so viel dann doch auch nicht.
Um kurz nach halb zwei verließen wir dann den Flohmarkt, letztlich einzig um ein paar DVD reicher, von dannen. Doch die waren mit 20-30 Kronen super günstig. Und ich werde einfach wiederkommen, an einem der nächsten Wochenenden, und vielleicht finde ich ja dann den interessanten Kram.