Kaum war das „Zombie Zombie“ Konzert am 04.02.2011 beendet, stand für mich fest: Morgen komm ich wieder in die MeetFactory. Dieses Mal um dem alten Ramsch wegen. Schon Monate zuvor haben mich Bilder des Flohmarktes aus der alten Fleischfabrik gelockt. Trotz Begeisterung und dem nötigen Willen nagelten die Prüfungen und Hausarbeiten mich doch am Schreibtisch fest, sodass letztendlich kein Stöbern in Second-Hand-Waren zu Stande kam.
Dieses Mal sollte es mir anders gehen. Der Wille und die Begeisterung waren noch nicht erloschen; Zeit und das nötige Kleingeld sind dieses Mal mit dabei. Doch ganz alleine will man doch nicht losziehen. Die Wohnungsgenossen sind schnell überzeugt und scheinen die Begeisterung zu teilen. So kommt es, dass ich mit fünft meiner Mitbewohnerinnen zum langersehnten Event pilgere. Die gute Laune bei meinen hauptsächlich spanischen Freunden macht sich in der Tram bemerkbar als heimische Lieder gesungen und getrommelt werden. Sie sind mit Herz und Seele dabei. Die Vorfreude soll ihren Höhepunkt trotzdem erst erreichen als die Zigaretten konsumierende Menschenmenge vor dem Eingang gesichtet werden kann. Es ist was los, es wird was geboten. Es kann nur gut werden.
Die Luft in der Halle ist drückend und es ist heiß, weshalb meine Winterjacke ganz schnell für 20,- Ckr. zur Garderobe wandert. Es tummeln sich bestimmt mehr als hundert Menschen an den Ständen. Sie durchwühlen hauptsächlich Koffer voller Kleidungsstücke sowie Hemden, Blusen oder Jacketts, die meist geordnet an Kleidungsständern ihren Platz einnehmen. Entgegen meiner Erwartungen wird versucht hauptsächlich Kleidungsstücke für die femininen Körper unter die Leute zu bringen. Schallplatten, CD´s, Bücher, DVD´s sind vorhanden, befriedigen aber keine Musikliebhaber, Leseratten oder Filmfreaks. Dennoch sichte ich ein Oberteil für eine meiner treuen Begleiterinnen an diesem Abend. Größe, Farbe, Motiv und Preis passen. Gekauft! Ich freue mich einer meiner Compañeras eine Freude gemacht zu haben.
In erster Linie trifft man modebegeisterte, sensationslustige junge Erwachsene in der schweißtreibenden Halle an, die ihre Kauf- und Verkaufsgespräche mal auf Tschechisch mal auf Englisch führen. Die MeetFactory scheint für dieses Event mehr Frauen als Männer zu locken, was sich eindeutig in der Auswahl der Second-Hand-Waren widerspiegelt. Blusen und Tops zu Hauf. Ausgefallen, elegant,… Individualismus weit und breit. Wer seinen eigenen Stil noch nicht gefunden hat, der kann heute einen ersten Schritt wagen und mit geschicktem Handeln seine ersten ausgefallenen Kleidungsstücke für wenig Geld mit nach Hause nehmen. An manchen „Gassen“ ist kein Durchdringen möglich, weil die eine oder andere Person immer noch nicht alle Tops oder Gürtel durchwühlt hat, jemand sich nicht vom chic gekleideten Verkäufer trennen möchte oder sich gar nach fünf Minuten noch beim Feilschen befindet.
Wer sämtliche Koffer durchwühlt hat, kein Geld mehr für Kleidung übrig hat oder einfach vom Gedränge in den kleinen Gassen genug hat, kann sich bei einem Becher Bier oder Limonade über seine neuesten Errungenschaften austauschen und vielleicht eine neue Bekanntschaft machen. Schließlich befindet man sich in der „MeetFactory“ und Grund für ein Gespräch bei all den ausgefallenen Menschen, Schuhen, Haarfarben, Frisuren,… gibt es allemal.
Schon auf dem halben Weg nach Hause sichtet mein Auge dann doch noch das Unglaubliche. Eine Kassette!!! Nachdem ich mich eine Stunde lang durch die Halle gekämpft habe, ein Top für jemanden ergattert hatte und mir unendlich heiß geworden ist, halte ich eine „Total Chaos“ Kassette aus dem Jahre 1994 in den Händen und sofort schießen mir Erinnerungen von frühen Tagen durch den Kopf. Die Kassette dieser britischen Punk-Band lacht mir ins Gesicht, mein Herz schlägt höher. Sie will gekauft werden und zwar von mir. Doch wie soll nur eine Kassette im Jahre 2011 abgespielt werden? Der Verkäufer erkennt die Problematik anhand meines Gesichtsausdrucks und hält mir sofort einen Panasonic „Walkman“ in bestem Zustand vor mein Gesicht. Ay Caramba! Wie lange ist es her, dass ich ein analoges Abspielgerät in meiner Hand hielt! Ich kann mich nicht entsinnen. Dann fallen mir plötzlich zwei weitere Herzstücke auf, die wegen meiner ersten Euphoriewelle noch vollkommen unentdeckt geblieben waren. Eine „NOFX“ Kassette, die die Version des französischen Klassikers „Champs Élysées“ enthält und mich an mein aller erstes Festival erinnert, als NOFX an einem brennend heißen Nachmittag die Bühne betrat und mich als 15-Jähriger ans Ende meiner Kräfte brachte. „Oxymoron“ soll eine deutsche Punk Band aus den 90iger Jahren sein. Bis dahin war sie mir völlig unbekannt. Doch dank des gesprächigen Verkäufers interessiere ich mich letztendlich für die drei Kassetten und den „Walkman“. 250,- Ckr. lassen mich kalt. 230,- Ckr.??? Ich warte noch. 200,- Ckr.??? Gekauft. Mein Vertrauen bzgl. der Funktionstüchtigkeit des Gerätes hat der sympathische Tscheche. Ich freue mich wie ein kleines Kind, halte meinen Walkman in den Händen, studiere die Textblätter der Kassetten und verliere mein Grinsen während des ganzen Heimwegs nicht. Völlig unverständlich für meine mediterranen Freunde, dich sich mich Mp3-Playern wie Ipods zufrieden geben.
Der Besuch des Flohmarkts in der MeetFactory war ein voller Erfolg. Natürlich war das Glück an diesem Abend auf meiner Seite. Doch so geht es schließlich jedem, der sich in dieses Gefilde begibt. Heute sitze ich in meinem Bett, schreibe einen Blog oder surfe im Internet und lausche währenddessen den Klängen der Bänder aus alter Zeit, erfreue mich an den Erinnerungen, die diese Kassetten wieder ins Leben gerufen haben und an diese tollen Stunden in der MeetFactory mit meinen Freunden auf der Suche nach diesem kleinen Stückchen Glück.