Es ist wieder Samstag in Prag und eiskalt. Gut, das spüre ich diesmal nicht so, da ich mich heute mit Daunenjacke, Schal, Mütze und dicken Kniestrümpfen dagegen gewappnet habe. Zur Abwechslung ist es einmal auch nicht stockdunkel, sondern ein relativ klarer Tag und zur Abwechslung bin ich diesmal richtig dick erkältet. Doch ich kann mich nicht mit Wärmfalsche ins Bett legen und auskurieren, denn ich habe Besuch. Wieder einmal. Zum dritten mal seit ich hier bin. Doch zur Abwechselung muss ich dieses Mal nicht wieder die pruvodkyne (Führerin) spielen, die einen im Eiltempo durch die Stadt zerrt, damit man auch ja alle wichtigen Sehenswürdigkeiten gesehen hat, bevor es nach dem Wochenende wieder nach Hause geht. Diesmal wird es auch kulturell etwas anspruchsvoll.
Es ist kurz nach Mittag, wir stehen vor der Langhans-Galerie und wollen uns die viel gepriesene „Mimo Zonu“-Fotoausstellung über das Leben im Kommunismus ansehen. Doch natürlich habe ich mal wieder nur auf die Adresse geachtet und nicht auf die Öffnungszeiten. So klärt uns der Pförtner/Wachmann, der einen halben Kilometer vor dem durch diverse Türen und Winkel zur Galerie führenden Irrweg sitzt, auf, dass wir zu früh sind und die Galerie erst in ca. 30 Minuten öffnen wird. Hmm, doof. Doch Gott sei Dank haben wir einen Ersatzplan. Eigentlich als kleiner Snack nach der Ausstellung, was gleichzeitig vor der Ausstellung ist, der nächsten nämlich, gedacht, machen wir uns nun in die um die Ecke gelegene Obstbar Ovocný Světozor zum Schlemmen auf. Ich hatte diese Mischung aus Kaffe, Eisdiele und McDonalds, welche es gleich sieben Mal in Prag gibt, vor längerem als Geheimtipp empfohlen, war aber selbst noch nie drin. Da eine der Bars gleich um die Ecke der Galerie liegt, wollen wir dieses Versäumnis meinerseits heute aus der Welt schaffen. Da stehen wir nun einigen Minuten später und sind von der Auswahl der Minitortenstückchen mit allen erdenklichen Füllungen und Belägen schier erschlagen. Nur langsam können wir uns entscheiden und ich bin mal wieder froh, als auch tatsächlich die gewünschten Köstlichkeiten auf den Tellern landeten und ich beim Bestellen auf Tschechien anscheinend nicht so viele Fehler gemacht habe.
Nachdem wir dann eine halbe Ewigkeit geschlemmt haben und dabei durch die riesige Glasfront die vorbeikommenden Leute in der Einkaufspassage wie Affen im Zoo geäugt haben, machen wir uns auf zur Mimo-Zonu. Ganz ehrlich hätten wir die Kronen besser in ein zweites Stück dort investiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine große Kunstexpertin bin, doch ich fand es schrecklich, wie meine Begleitung in Übrigen auch, und die kennt sich in dem Metier doch etwas aus. Raumaufteilung ungut, die Anzahl der Exponate doch beträchtlich wenig und die Auswahl, verglichen mit dem Begleitbuch, einfach schlecht getroffen. So sind wir dann nach 45 Minuten auch durch und der Reiz des Verweilens ist doch sehr gering.
Doch lassen wir uns von dieser Enttäuschung nicht schrecken und machen uns auf zur nächsten Ausstellung. Nun soll es zur „Czech-Press“-Ausstellung ins alte Rathaus gehen. Gut, zugebenermaßen verleitet mich der Bummel durch die Stadt in Kombination mit dem einsetzenden Schneefall und der überall herrschenden Weihnachtsstimmung etwas dazu, kaufsüchtig zu werden und so dauert es doch ein bisschen, bis wir dann, um etliche Weihnachtsgeschenke von mir für mich reicher, am Altstädter Ring ankommen. Hier wiederum muss ich sagen, dass sich die investierten 50 Kronen auf alle Fälle gelohnt haben. Zwar war ich, aufgrund meiner fortschreitenden Erkältung, inzwischen zu einem dauerniesenden Häuflein Elend verkommen, doch die über zwei Stockwerke verteilten Fotos hätte ich nicht missen wollen. Nach über zwei Stunden und aberdutzende Bildern von Konfrontationen der Rechten mit der Polizei, ertrunkenen Pferden beim Hochwasser diesen Jahres, Hochzeiten, Beerdigungen, kranken, glücklichen und traurigen Menschen, Momentaufnahmen aus russischen Dörfern irgendwo im nirgendwo, aus asiatischen Slums, aus Flüchtlingslagern, von Naturspektakeln, sportlichen Höchstleistungen und vielem mehr, bin ich mir nicht nur sicher, dass ich nun endlich auch ein Spiegelreflexkamera haben will, sondern auch, dass ich mich jetzt schon auf die Ausstellung 15 Jahre Czech-Press im Frühjahr freue.
Nun geht es noch auf einen schockfrostenden Ausflug auf den Rathhausturm, der zwar eine sehr schöne Aussicht auf das nächtlich beleuchtete, vorweihnachtliche, Prag biete, aber mir im angekrankten Zustand, aufgrund der dort oben herrschenden arktischen Temperaturen, dann doch den Rest gibt. Doch bevor wir uns nach hause aufmachen, wo wir den Abend dann im meinem Bett bei Martini verbringen werden und meine Sammlung von Cečka, dem tschechischen Kinderspielzeug der 80er, farblich sortieren und die Häkchen im Anschluss zu Armbändern und damit potentiellen Weihnachtsgeschenken für alle meine weiblichen Freundinnen zusammenhacken, werde ich abermals kaufsüchtig. Dieser Anfall führt mich noch einmal geschwind zurück zur Ausstellung, wo ich nach einen Plausch (Juhu, so schlecht ist mein Tschechisch gar nicht!!!) mit der sehr freundlichen Dame am Eingang um lediglich zehn (!) Kronen leichter, aber unendlich beglückt, mit einem Plakat der Press-Ausstellung von dannen ziehe.