Ich hatte mal wieder Besuch, wie könnte es auch anders sein? Der werte Leser wird sich bestimmt schon fragen, ob ich in meinem Auslandsjahr eigentlich auch etwas anderes tue, als Besuch zu haben. Doch gelegentlich mache ich auch noch andere Sachen als die Fremdenführerin zu spielen.
Letztes Wochenende war es jedoch wieder einmal so weit und ich hetzte mit meinem Besuch bei minus zehn Grad wieder einmal kreuz und quer durch die Stadt, bei dem Versuch alles Sehenswerte in drei Tage zu pressen. Ich muss ja sagen, nachdem ich das nun schon zum fünften Mal gemacht habe, bekomme ich nicht nur langsam Routine darin und mir eine eigene Route zusammengestellt, sondern vor allem langsam die Nase voll. So schön die Stadt ist und so sehr ich sie liebe, aber Fremdenführerin zu sein, that sucks. Da ich aber eine gute Gastgeberin sein will, konnte ich auch diesmal die Bitte, auf die Burg zu gehen, nicht ablehnen.
Eigentlich wollten wir ja schon am Freitag dorthin, aber dann haben wir es nicht geschafft, also haben wir es uns nun ganz fest für den Samstag vorgenommen. Aber dann sind wir doch wieder ewig durch die Stadt gebummelt, haben noch eine Abstecher zum tanzenden Haus gemacht und sind schließlich noch eine halbe Ewigkeit in der Kavárna Slavia bei einer heißen Schokolade und dem Gefühl, absolut bohatý zu sein, versumpft. Als wir dann wieder aus der Touristenfalle und dem Treffpunkt für Neureiche in die Kälte kamen, war es schon vier Uhr.
Da ich mal etwas Neues machen wollte, als einfach nur zur Burg zu latschen, hatte ich beschlossen, dieses Mal ein Stück des Königsweges, welchen die Könige in Prag vor ihrer Krönung zurücklegen mussten, zu gehen. Passte auch ganz gut, denn die Karlsbrücke hatten wir auch noch nicht gesehen. So machten wir uns dann also auf, von der Kavárna Slavia am Nationaltheater zur Karlsbrücke und von dort zum Kleinseitner Ring und schließlich die Neruda ulice entlang. Sehr zu meiner Schande muss ich ja gestehen, dass das, was auf diesem Weg die meiste Aufmerksamkeit meines Besuches auf sich zog nicht etwa die Häuser und Gässchen waren, sondern eine riesige grüne Eistüte, die am Eingang eines Absinthladens hing, und kurzzeitig war sogar ich versucht, die Abartigkeit von Absintheis zu probieren, ließ es aber aufgrund der Außentemperaturen doch bleiben. Schließlich kamen wir dann bei einsetzender Dämmerung auf der Burg an. Nachdem wir dann kurze Zeit die Aussicht auf die im blauen Licht vor uns liegende Stadt mit den noch schneebedeckten Dächern genossen hatten, ging’s ins Burgareal.
Gerade hatte ich meinem Besuch die Kamera in die Hand gedrückt und nach meinem Reiseführer gekramt, um den Rundgang auch noch mit ein paar historischen Daten zu unterfüttern, schließlich bin ich ja Geschichtsstudentin, da sprach mich ein älterer Herr auf Deutsch an und meinte, die St.-Vitus-Kathedrale sei schon geschlossen. Na toll, dachte ich mir, das habe ich ja mal wieder abgepasst. Doch bevor ich mich lange über mich selber ärgern konnte, war ich auch schon mitten in ein Gespräch mit dem älteren Herrn verwickelt. Wie sich rausstellte, arbeite er, Luboš als eine Art privater Burgführer und bot an, uns für ein kleines Trinkgeld die Burg zu zeigen, und gab uns gleich eine kleine Kostprobe seines Wissens. Da dieses einen fundierteren Eindruck machte als die einzelnen Daten in meinem Reiseführer, und wir um diese Zeit gratis ins Goldene Gässchen kommen würden, wie Luboš uns erklärte, ließen wir uns schließlich darauf ein.
Und ich muss sagen, das war wirklich eine gute Entscheidung. Denn für 300 Kronen, die wir ihm am Ende der mehr als einstündigen Tour gaben, kamen wir nicht nur billiger weg als wenn wir uns Tickets gekauft hätten, sondern bekamen auch genau die richtige Mischung aus Fakten, Daten und Unterhaltung. Und das Ganze vor der absolut atemberaubenden Kulisse der nächtlich erleuchteten Burg. Als wir schließlich den Rundgang beendet hatten, waren wir zwar total durchgefroren, aber das hatte sich auf alle Fälle gelohnt und sogar ich habe noch mal neue Seiten der Burg entdeckt. Luboš wurde zwar nun noch etwas aufdringlich von wegen noch trinken gehen, oder er würde für uns kochen, doch dem konnten wir uns gerade noch erwehren. Schließlich schlenderten wir noch einmal alleine durch die Burg und machten geschätzte 200 Bilder, die dank meinem neuen Kamerastativ sogar nichtig scharf waren.