Prag - Mitten im Kalten Krieg entstanden über die Grenzen des Eisernen Vorhangs hinweg Kinderserien in Co-Produktion zwischen der Tschechoslowakei und Westdeutschland. Heute genießen diese Serien Kultstatus - sie prägten eine ganze Generation.
Doch wie kam es überhaupt zu dieser Zusammenarbeit? Wie können TV-Serien Kinder gleichermaßen begeistern, obwohl die einen in einem Staat unter kommunistischem Regime lebten und die anderen in einem westlich orientierten, demokratischen Staat?
Die Soziologin, Slavistin und Ost(mittel)europahistorikerin Helena Srubar geht in ihrem frisch erschienenen Buch "Ambivalenzen des Populären – Pan Tau und Co. zwischen Ost und West" diesen und weiteren spannenden Fragen auf den Grund.
Dass "Pan Tau", "Die Märchenbraut" und "Die Besucher" als Co-Produktion zwischen dem Kölner WDR und dem tschechoslowakischen Staatsfernsehen entstanden sind, kann im Nachhinein betrachtet nur mehr als verwundern. Helena Srubar unternimmt in ihrer spannenden Abhandlung den Versuch, sich dem Phänomen dieser drei Kinderserien zu nähern.
Dabei beschreibt Srubar zunächst das Selbstverständnis der tschechischen Nation, die sich gerne als unterdrückter, kleiner Staat und Spielball der mächtigen Nachbarstaaten aus Ost und West versteht.
Gerade während der so genannten "Normalisierungszeit" (1969 – 1989), in der auch die Co-Produktionen entstanden, werden die tschechischen Bürger in drei Kategorien gesteckt: die Dissidenten, die Kollaborateure und die schweigende Masse. Mit scharfem Blick und feinem Gespür versucht Srubar mit ihrer Analyse Licht ins Dunkel der schweigenden Masse der Bevölkerung zu bringen.
Pan Tau und Co.: Kritiker oder Unterstützer des Regimes?
In dieser Zeit konnte man in der Tschechoslowakei das Phänomen beobachten, dass strikt zwischen öffentlichem und privatem Leben unterschieden wurde. Welche Auswirkungen konnten also die TV-Serien, als Teil des Privaten, auf den öffentlichen Lebensbereich haben?
Helena Srubar arbeitet zwei Kernfragen heraus: 1) Trugen Pan Tau und Co., so ideologiefrei und subversiv sie auch gelten mögen, tatsächlich verstecktes kommunistisches Gedankengut in sich und stabilisierten das sozialistische Regime? Oder 2) Boten Pan Tau und Co. eine Nische, um im Phantasie- und Märchengenre nicht nur ideologiefrei zu sein, sondern sogar Kritik an der kommunistischen Herrschaft zu üben?
Die kurzweilige, pointierte und interessante Ausarbeitung dieser Grundgedanken bietet spannende Einblicke in die tschechoslowakische Geschichte, die Produktionsbedingungen der Serien, deren genaue Analyse und ihre Nachwirkungen bei den Zuschauern in Ost und West bis heute. Fazit: Absolut lesenswert. (js)
Helena Srubar: Ambivalenzen des Populären
Pan Tau und Co. zwischen Ost und West
Verlag UVK, 1. Aufl. 02.2008
400 S., 24 schw.-w. Abb. - 22,00 x 14,50 cm
ISBN : 978-3-86764-047-3
39,00 Eur (Deutschland) / 40,10 Eur (Österreich)