Prag - Was machen eigentlich Kunststudenten ein Jahr, nachdem sie die Akademie absolviert haben? Als Kellner arbeiten? Wenige von ihnen haben dann bereits einen Namen, die meisten müssen ihn sich erst noch machen.
Ein Ausflug auf den Weißen Berg (Bílá hora) im Westen Prags lohnt sich aber nicht nur, um dieser sophistischen Frage nachzugehen.
Auf dem historischen Grund, wo sich das Schicksal Böhmens 1620 nach der Schlacht zwischen den böhmischen Aufständischen und den siegreichen kaiserlichen und katholischen Truppen auf Jahrhunderte entschieden hat, steht das Lustschlösschen Hvězdas (Stern). In dem weitläufigen Park ließ Ferdinand von Tirol, Sohn und Statthalter des Kaisers Ferdinand I. im 16. Jahrhundert einen sechseckigen, sternförmigen Bau errichten.
Im ersten Stock haben sich bis Ende Oktober sechs junge Künstler eingenistet, die ein altes Genre neu beleben und interpretieren, die Landschaftsmalerei. Nun erwarte man aber keinesfalls die farbenfrohen, großformatigen Gemälde der italienischen Landschaftsmalerei oder die drohenden und düsteren Bilder deutscher Tradition. Sechs letztjährige Absolventen der Akademie für Bildende Kunst (kurz: AVU) haben sich eine wesentlich subtilere Aufgabe gestellt: "Netušený prostor na pomezí krajiny a duše", was im Deutschen am besten mit "Der ungeahnte Raum im Übergang von Landschaft und Seele" zu übersetzen ist.
Die Gemälde sind subtil und arbeiten mit Farbnuancen. Es sind weniger Stimmungsbilder, sondern optische Ausflüge an die Schnittstelle, wie man in der Digitalsprache sagen würde, von innen und außen, von Figürlichkeit und Abstraktion. Es fehlen auf der einen Seite nicht die großen nebelverhangenen Entwürfe voller Dynamik, auch nicht die Auseinandersetzung mit der Tradition etwa des Impressionismus oder Einflüsse asiatischer Tuschezeichnungen. Es finden sich Bilder voll harmonischer Wellenbewegung, andere, welche die scheinbare Unordnung einer naturbelassenen Landschaft mit mikroskopischem Blick einfangen.
Kurz und gut, die Unterschiede zwischen den sechs Künstlern sind beträchtlich, aber dennoch wirkt die Ausstellung kompakt. Wer skeptisch den Werken junger, noch unbekannter Künstler gegenübersteht, sollte sich von der Atmosphäre des ungewöhnlichen Renaissance-Baus verführen lassen. Beide, die Räume in den sechs Zacken des sternförmigen Gebäudes und die sechs Auffassungen über eine Wiederbelebung der Landschaftsmalerei jenseits eines schönen Hobbys versetzen den Betrachter in eine Stimmung, in der die Geschichte dieses Ortes und dessen Zeit erahnbar werden. Der weiße Berg wurde zur Richtstatt des böhmischen Adels, nach der verheerenden Niederlage wurden 27 von ihnen auf dem Altstädter Ring hingerichtet. Möge er nicht zur Richtstatt für sechs hoffnungsvolle Maler werden.
Auch wenn sie noch keinen Namen haben, so sollen sie dennoch nicht ungenannt bleiben: Jan Ulrych, Kristýna Šormová, Tadeáš Kotrba, Tereza Příhodová, The Maya, Robin Kaloč. Die Ausstellung bleibt bis zum 31.10.2013 geöffnet. (gl)