Prag - Am 17. Mai wird der Prager Frühling (Pražské Jaro) konvergent, doch was soll das bedeuten? Zunächst ganz einfach: Am kommenden Sonntag wird das Ensemble Konvergence in dem in diesem Jahr eher auf bewährtes setzende Musikfestival die moderne Musik vertreten.
Hinter dem Namen verbergen sich vier junge Komponisten der Jahrgänge ’75 bis ’81 und mit ihnen insgesamt zwölf ebenso junge Musiker.
Michaela Plachká, Tomáš Pálka, Ondřej Štochl und Jan Rybář, allesamt Absolventen der Prager Musikhochschule HAMU, haben sich unter der Leitung von Ondřej Štochl zu einer Gemeinschaft zusammen geschlossen, da ihr Ansatz zum Komponieren ein sehr ähnlicher ist, nämlich konvergent. Geometrisch sind konvergente Linien jene, die sich beständig annähern, aber nicht treffen, und vielleicht ist es genau das, was die Musik des Komponistenquartetts tut.
Die Neue Musik der letzten Jahrzehnte zeichnet sich im Gegensatz zu den großen symphonischen Erzählungen durch aus, dass sie keine Geschichte mehr erzählen will und ihre Stücke nicht mehr in einem Punkt kulminieren. Es ist ein Verharren in der Abstraktion, in dem Abgesang an die perspektivische Sicht, in der es ja noch diesen einen imaginären Punkt gibt, in den sich alle Linien flüchten und imaginären Bühnen schaffen für die in sich abgeschlossenen Geschichten.
Die Konvergenz geht noch einen Schritt weiter: Sie lässt die Linien laufen, deutet einen Fluchtpunkt an, beschreitet den Weg, aber der wird kein Ende mehr haben. Und ebenso hat die Musik vom Ensemble Konvergence eine klaren Richtung, eine eindeutige Linienführung, wird im Gegensatz zu etlichen Kompositionen der Neuen Musik nie eruptiv ausfällig, weicht also nicht vom Weg ab, und doch, ein Treffpunkt, ein Ende, ist nicht absehbar: Musik als unmögliche Grafik.
Wer sich auf dieses Experiment einlassen möchte, dem bleibt nicht nur das einmalige Konzerterlebnis am 17. Mai im Agnes Kloster (Anežský klášter) um 20 Uhr, der kann sich die interessante Musik auf der bereits 2006 eingespielten CD, die schlicht "Konvergence" heißt, und die in dem rührigen und für die Neue Musik in Tschechien verdienstvollen Label Matouš erschienen ist. Neben einem Stück des Altmeisters dieser Musik, dem Japaner Toru Takemitsu, und der in Paris lebenden Finnin Kaija Saariaho, hat jeder der vier Komponisten ein Kammermusikwerk beigesteuert. Michaela Plachká ein kurzes, aber eindrückliches Streichertrio, Tomáš Pálka elf Miniaturen, die er als Versuch deutet, die Strichführung des Malers Jackson Pollok in Musik umzusetzen, Ondřej Štochl einen Ausflug in die Mikrowelten der Großstadt zu den vermeintlich banalen Orten wie Tramhaltestellen oder öde Straßenzüge, und Jan Rybář versucht sich in Mathematik: 27 Akkorde werden in kleinen Abweichung wiederholt, niemals gleich, doch ohne wirklich jemals anders zu sein: Linien ohne Treffpunkt.
Allen diesen vier Komponisten ist gemeinsam, dass sie sich den klassischen Instrumenten weiterhin klassisch bedienen und im Gegensatz etwa zu Kaija Saariaho keiner Elektronik bedürfen, um ihren Weg immer weiter zu beschreiten, und es ist vielleicht gerade dieser Umstand, der auf der CD so fruchtbare Ergebnisse gezeitigt hat. Es wird spannend sein zu hören, ob auch die neueren Stücke, die im Rahmen des Prager Frühlings nun präsentiert werden, diese eben letztlich konvergente Linienführung beibehalten werden. (mm)
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Rubrik: Kultur |
13.5.2009
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Junges tschechisches Ensemble als Botschafter der Moderne
Tschechien Online, 13.5.2009
Autor:
Michael Magercord
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