Prag - Viele deutsche und ausländische Unternehmen unterschätzen beim Markteintritt in Tschechien das Personalproblem, besonders wenn es sich um hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte handelt. Auch Mentalitätsunterschiede werden oft nicht berücksichtigt.
Wurden anfangs stets deutsche Führungskräfte entsandt, so werden in Tschechien längst nicht nur die Positionen im unteren und mittleren Segment mit einheimischen Mitarbeitern besetzt.
Vermehrt werden auch für die Führungspositionen in den tschechischen Tochtergesellschaften und Unternehmen Tschechen rekrutiert. Die Suche nach dem geeigneten Arbeitnehmer stellt die ausländischen Unternehmen vor eine große Herausforderung.
Neben der fachlichen Qualifikation soll der Kandidat natürlich auch entsprechende Führungsqualitäten mitbringen. Selbstverständlich muss der Bewerber über die notwendige Fremdsprachenkompetenz verfügen und in der Lage sein, die viel zu oft unterschätzten interkulturellen Probleme und Missverständnisse zu überwinden. Und zu alldem sollte die betreffende Person – kommunikativ, teamfähig, freundlich und souverän im Auftreten - auch noch bezahlbar sein. Neben dem gestellten Anforderungsprofil kommt für den tschechischen Arbeitsmarkt hinzu, dass im Ballungszentrum Prag und Umgebung mit 2,2 Prozent Arbeitslosigkeit längst Vollbeschäftigung herrscht. Insgesamt lag die Arbeitslosenquote nach Angaben der tschechischen Investitionsförderagentur CzechInvest mit Stand von Februar 2008 im Landesdurchschnitt bei 5,9 Prozent - potenzielle Mitarbeiter sind also rar gesät.
So bezeichnet gut die Hälfte der Unternehmen in Tschechien die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter bereits als „ungenügend“, Tendenz steigend. Das ist eines der Ergebnisse der Vergütungsstudie 2007/2008 „Unternehmen in Tschechien: Mitarbeiter und Leitende Angestellte“, durchgeführt von der Managementberatung Kienbaum in Kooperation mit der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer. „Gleichzeitig erwarten die Unternehmen in Tschechien einen weiter wachsenden Bedarf an Talenten“, sagt Maria Smid, Projektleiterin der Studie. Demnach rechnen 86 Prozent der Unternehmen mit einer steigenden Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern. Jedoch bleiben die Personalkosten in Tschechien im Vergleich zu Westeuropa trotz eines erwarteten Gehaltsanstiegs von durchschnittlich 7,7 Prozent im laufenden Jahr moderat.
So verdient ein Geschäftsführer mit 89.600 Euro im Jahr erheblich weniger als sein deutscher Kollege, der auf Jahresgesamtbezüge in Höhe von durchschnittlich 268.000 Euro kommt. Im Rahmen der Erhebung wurden 76 Unternehmen und insgesamt mehr als 15.200 Positionen analysiert.
Aufwand für Personalsuche wird unterschätzt
Manchmal fehlen auf Seite der Unternehmen Zeit und Geld für eine eigene lange und intensive Personalsuche. Die Lage wird unterschätzt und es wird versucht, im Alleingang mit angezogener Handbremse auf eigene Faust vermeintlich billig die Stellen zu besetzen. Diese Rechnung geht aber in den meisten Fällen nicht auf. Des Weiteren fehlt es häufig auch gerade an der notwendigen interkulturellen Kompetenz für die Personalsuche in einem kulturell und sprachlich fremden Umfeld. Hier empfiehlt es sich, nach einem geeigneten Partner Ausschau zu halten, der über die Kompetenz verfügt. Die Suche, Auswahl und Motivation von geeigneten und bezahlbaren Kandidaten ist eine Aufgabe, die idealer Weise in Tschechien durch einen vor Ort erfahrenen internationalen Personalberater durchgeführt werden sollte.
Bei der Personalsuche gilt grundsätzlich: Je diffiziler das Anforderungsprofil ist, desto schwieriger gestaltet sich die Suche. Gute Mitarbeiter müssen dabei in vielen Fällen von anderen Unternehmen abgeworben werden. Daher beginnt die Personalsuche meist mit einer genauen Unternehmensanalyse, um ähnliche Firmen in einer ähnlichen Branche zu suchen und qualifizierte Mitarbeiter dann gezielt anzusprechen. Im Schnitt sollten für Besetzung einer Führungsposition drei bis sechs Monate eingeplant werden, die Kosten für die professionelle Suche belaufen sich bei den meisten Unternehmen im Schnitt auf 20 bis 40 Prozent des Jahresgehaltes für die gesuchte Position.
Perspektiven zur Mitarbeiterbindung
Im Prozess der Personalsuche ist auch das Wissen um interkulturelle Unterschiede und Besonderheiten entscheidend. Oft sind diese Unterschiede und Besonderheiten vermeintlich nur Kleinigkeiten, die jedoch für die Tätigkeit eines Unternehmens letztlich große Wirkung haben können. So gilt es zum Beispiel bei der Standortwahl für ein Unternehmen in Tschechien zu berücksichtigen, dass tschechische Arbeitnehmer ein anderes Verständnis von Mobilität haben als etwa russische.
Während für einen Russen eine Strecke von über 1.000 Kilometern einem Tagesausflug gleicht, stellen für einen Tschechen 50 Kilometer schon eine unüberbrückbare Distanz dar. Ein Umzug nach Moskau ist für einen Russen aus Sibirien gewöhnlich kein Problem, wohingegen ein tschechischer Arbeitnehmer aus der Region kaum nach Prag übersiedeln würde, ganz zu schweigen von einer Großstadt in die Provinz. Zudem muss ein potenzieller Investor berücksichtigen, dass tschechische Arbeitnehmer mitunter nur bis zu einem gewissen Grad über finanzielle und andere Anreize motivierbar sind. Ist ein gewisser Lebensstil erreicht, so wird unter Umständen ein ruhiges Wochenende einem möglichen höheren finanziellen Einkommen vorgezogen.
Daher haben Unternehmen in Tschechien auch nicht mit so einer hohen Fluktuation wie in anderen Transformationsländern zu kämpfen, das gilt vor allem für die oberen Einkommensklassen. Um Personal zu binden, empfiehlt es sich, Mitarbeiter an möglichst vielen Entscheidungen und Prozessen in irgendeiner Weise zu beteiligen. Außerdem sollten eine Weiterentwicklung und Perspektiven im Unternehmen gewährleistet sein.
Arbeitsmarktlage verschärft sich
Die Überhitzung des tschechischen Arbeitsmarktes ist bereits sehr groß, es herrscht vor allem in den Bereichen Maschinenbau und Automobilindustrie ein Mangel an Ingenieuren und Facharbeitern. Auch in anderen Branchen sieht es gegenwärtig nicht viel besser aus. Billigere Arbeitskräfte hingegen, wie Schweißer und Bauarbeiter, stammen zu einem Großteil bereits aus dem Ausland, insbesondere aus Polen und der Ukraine. Die ausgelagerte Werkbank gehört in Tschechien längst zum Auslaufmodell. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich dabei voraussichtlich noch verschärfen.
Schon heute können Unternehmen in Tschechien häufig Aufträge nicht annehmen, weil ihnen das Personal für die Bearbeitung fehlt. Hier stehen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor einem Problem, besonders abseits der großen Städte. Denn im Kampf um gute Köpfe können sie häufig nicht mit klanghaften Namen und zahlungskräftigen Unternehmen wie Bosch, Škoda oder SAP mithalten.
Der Autor
Robert A. Scherl ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Scherl & Partner s.r.o., Prag, mit Büros u.a. in Eschenbach, Moskau und Kiew.
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