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Halbzeit in Prag

Fast fünf Monate ist es nun her – irgendwo liegt noch das alte Tagebuch mit dem genauen Datum herum – dass ich mit Koffer und Rucksack aus dem Bahnwagon gestiegen bin. Nächster Halt: hlavní nádraží, provisorische Heimat für das nächste akademische Jahr. Es fiel mir nie schwer Orte zu verlassen, schließlich gehe ich nicht auf nimmer Wiedersehen, es gibt immer die Möglichkeit zurückzukehren. Fünf Monate, das sind ein Katzensprung, ein kleiner Augenblick im Leben. Wenn man mich fragt, was ich fünf Monate in Prag gemacht habe, dann kann ich sagen: “Naja…”

Ich war auf dem Wenzelsplatz, aber das hat mir nicht gefallen, aber wenn du ein bisschen den Platz entlang gehst und dann nach rechts in die Vodičkova einbiegst und dann in die Lucerna-Passage gehst und da hinguckst, wo nie ein Tourist stehen bleibt, dann kann dir ein Licht aufgehen. Da hockt doch wirklich der Wenzel, der alte auf dem Bauch von seinem Gaul, das von der Decke hängt. Potzblitz, so schaut also Prag aus.

Fünf Monate und ich war nicht einmal auf der Prager Burg. Da zieht es mich nicht hin, aber wenn ich nachts im Winter keine Lust habe auf meinen Bus zu warten, dann lauf ich lieber die paar Meter an den Botschaften vorbei, wo die Herrn Polizeibeamten patroullieren oder an den Heizstrahlern stehen mit diesen Langeweilegesichtern. Hoffentlich passiert mal was, es kann nicht mal ein Wagen in die Luft fliegen oder irgendwelche Terroristen, ja ich weiß nicht. Aber so ist das doch langweilig.

Weiße Wände zu Hause, das habe ich mir schön ausgesucht. Raum 101 trägt keine Tapeten, warum sollte ich mir diesen Luxus leisten? Wenn ich hier bin, dann will ich allein sein, ich und mein Kopf, aber immer kommt etwas mit. Etwas Licht, etwas Schatten, ein bisschen Außenwelt. Wenn mich jemand fragt, dann sage ich: “Das ist wo ich meinen Körper hinlege, wenn ich vorübergehend nicht zu erreichen bin.”

Das ist natürlich alles Quatsch, aber fünf weitere Monate in Prag und vielleicht ein bisschen mehr, das ist kein Quatsch.  Den größten Widerwillen habe ich gegen englische Tastaturen. Andauernd schreibt man y statt z und versuch mal das Semikolon zu finden! Und natürlich Kentucky Fried Chicken. Dieses Colonel-Sanders-Gesicht hat mir schon meine erste Pragreise verdorben, überall wo ich eine schöne Fassade sah, wurde mein Blick von diesem Gourmet eingesogen. Guck halt weg. Und jetzt bin ich wieder da und die ganze Stadt schreit: “Schwarzenberg!” – Ist nur mir diese verblüffende Ähnlichkeit aufgefallen oder geht es vielen so?

Und was auch sonst so zu einem Rückblick gehört:

- das Essen war gut, aber nicht zu gut

- ob wir zu Hause auch so herrliches Wetter hatten? (Ich hoffe nicht, sonst hätte sich die Fahrt ja nicht gelohnt höhöhö)

- viel zu viele Ausländer, vor allem im Ausland

- ich vermisse die guten deutschen Kleinigkeiten (z.B. von der Polizei durchsucht werden oder hohe Bierpreise)

- zu guter letzt auch eine Liaison (Jan Patočka, Husserl und Nietzsche)

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