Prag - Es beginnt mit einem der zentralen Handlungselemente: Ein wandernder Zauberwürfel, im Englischen als "Rubik's Cube" bekannt, der von mehreren Projektoren ins diffuse Dunkel des Bühnenbereichs gemalt wird. Anstelle einzelner Bausteine in Grün, Rot, Blau zeigt dieser Würfel Abbilder menschlicher Gesichter. Mit untermalendem Tonbild setzen sich diese nach für nach zusammen, bis sie schließlich ein schlüssiges Bild ergeben.
"Cube" ist eine Inszenierung der besonderen Art. Als Fortsetzung des erfolgreichen Projekts LaternaLAB, bietet es eine spannende Symbiose zwischen Bühnenbild und darstellenden Tänzern. Unter der Regie von Ensembleleiter Pavel Knolle, der neben Bühnenbild und Kostümen auch für das Drehbuch mitverantwortlich ist, reiht es sich problemlos in das fantastische, oft experimentelle Repertoire anderer Inszenierungen der Laterna magika ein.
Dabei ist die Handlung sowohl deutungsreich als auch verworren: in mal surreal, mal realitätsgetreu inszenierten Handlungssträngen, bildet "Cube" ein umfassendes Spiegelbild der Essenz menschlichen Zusammenlebens im digitalen Zeitalter. Von albtraumhaften Labyrinthprojektionen, durch welche die Tänzer auf der würfelförmigen Bühne zu entkommen suchen, bis hin zur spielerischen Darstellung einer typischen Datenight, werden hier nicht nur die kanonisierten (Social-Media-)Klischees von Mann und Frau, sondern auch die unterschwelligen Abgründe des menschlichen Bewusstseins aufgegriffen.
Schattentanz: Einzigartiges Zusammenspiel von Tänzern und Projektion
Das Zusammenspiel von Tänzern und Projektion ist dabei einzigartig. Einen Höhepunkt bildet hier gewiss der "Schattentanz", bei dem Tänzer Adam Sojka eine beeindruckende Symbiose mit einem auf die Bühne projizierten Schatten eingeht. Manchmal harmonieren die Bewegungen miteinander, manchmal reißt der Schatten aus und entwickelt ein Eigenleben.
Untermalt wird die Handlung mit einer Musikkomposition von Jan Šikl, die in einem interessanten Cocktail mal zwischen Klassik, Oper und elektronischen Bässen changiert. Ähnlich wie die Handlung gleicht sie einem ständigen Wechselspiel und weicht auch schon mal ganz dem atmosphärischen Klicken des Zauberwürfels oder dem Schießen einer Kamera.
Die Kostüme sind zeitweise schattenhaft verhüllt in Schwarz, den Großteil der Zeit jedoch in alltäglich unscheinbaren Farben gehalten, welche sich besonders zu Beginn nur schwer von der Projektion zu lösen vermögen. Diese wiederum ist so beeindruckend, dass es dem Betrachter mitunter schwerfällt einen Fokus zu setzen. Die teilweise beängstigende und albtraumhafte Motivik bekräftigt die Altersempfehlung ab 15 Jahren, nimmt allerdings keine handlungsüberwiegenden Ausmaße an. Durchaus kommt das Stück zwischendurch humoristisch daher, besonders wenn in einer Sequenz verschiedene Alltagsklischees abgearbeitet werden, in denen sich der eine oder andere Zuschauer durchaus wiederzuerkennen mag.
Doch trotz des ganzen Hin und Hers zwischen gehetztem Unterbewusstsein und berechenbarer Realität, vermittelt "Cube" doch auch ein hohes Maß an Poesie, das sich vor allem im liebevollen Zusammenspiel der verschiedenen Tanzpaare widerspiegelt. Somit ist es sowohl eine Ode an die Herausforderungen unserer heutigen, man möchte sagen: entromantisierten Zeit als auch eine Liebeserklärung. (carc/nk)