Prag - Im Alter von 45 Jahren starb heute der ehemalige tschechische Premier und einstige Vorsitzende der Sozialdemokraten (ČSSD) Stanislav Gross.
Das berichtet die Nachrichtenagentur ČTK unter Berufung auf Informationen aus dem engsten Familienkreise.
Stanislav Gross kämpfte Medienberichten nach in seinen letzten Lebensjahren gegen die fortschreitende Erkrankung an Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Die degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems gelangte in jüngster Zeit vor allem durch die sogenannte "Ice Bucket Challenge" ins öffentliche Bewusstsein.
Stanislav Gross war von Juli 2004 bis 2005 tschechischer Regierungschef und mit seinen damals 34 Jahren jüngster Premier in der Geschichte des Landes. Zuvor hatte der gelernte Elektromechaniker und Lokomotivführeranwärter in der ČSSD eine steile Karriere hingelegt.
Ab 1992 gehörte Gross dem tschechischen Abgeordnetenhaus an, ab Januar 1995 war er Fraktionsvorsitzender der ČSSD und von April 2000 Innenminister zunächst in der sozialdemokratischen Minderheitsregierung von Miloš Zeman und danach auch in der sozialdemokratisch geführten Koalitionsregierung von Vladimír Špidla.
Zwischenzeitlich war Gross der beliebteste Politiker des Landes. Sein politisches Ende wurde durch die Affäre um eine Luxuswohnung in Prag eingeleitet. Der Premier konnte damals nicht glaubhaft die Herkunft des Geldes zur Finanzierung des Eigenheims erklären und musste zurücktreten.
Nach dem Rückzug aus der Politik arbeitete Gross in einer Prager Anwaltskanzlei. Kritiker warfen Gross jedoch vor, seine juristischen Abschlüsse unrechtmäßig erworben zu haben.
Für Schlagzeilen und den Unmut der Öffentlichkeit sorgte Stanislav Gross erneut, als 2007 ein undurchsichtiger Aktiendeal bekannt wurde, durch den der Ex-Premier in kurzer Zeit zu einem großen Vermögen gelangte. Gross gilt in Tschechien seitdem als Paradebeispiel für den Typ Politiker, der Politik vor allem als Geschäft in eigener Sache versteht und seine Machtposition zur persönlichen Bereicherung missbraucht.
Stanislav Gross hinterlässt eine Frau und zwei Töchter. (nk)