Prag - Tschechiens Regierung setzt auf Prävention durch Isolierung, um der Ausbreitung von Covid-19 Herr zu werden. Die Maßnahmen wurden durch den Notstand möglich, der seit dem 12. März 2020 gilt - vorerst für 30 Tage. In der Nacht auf den 16. März 2020 griff ein Aus- und Einreiseverbot. Tschechische Bürger und Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung dürfen nicht mehr ausreisen. Umgekehrt ist die Einreise für Ausländer verboten, mit Ausnahme solcher, die über eine Aufenthaltserlaubnis in Tschechien verfügen. Grenzübergänge sind auch Berufspendlern oder Lkw-Fahrern erlaubt. Eine Liste aller Ausnahmen findet sich auf Englisch auf der Website des Tschechischen Innenministeriums, ebenso auf Deutsch das Formular für Arbeitgeber im Fall der Beschäftigung von Grenzpendlern.
Gesellschaft und Wirtschaft im Krisenmodus
Wer aus dem als Risikogebiet eingestuften Ausland mit erhöhtem Vorkommen des Virus SARS-CoV-2 heimkehrt (aktuell aus Deutschland, Belgien, China, Dänemark, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Niederlande, Norwegen, Österreich, Iran, Italien, Spanien, Schweden, Schweiz, Südkorea) muss vorbeugend eine zweiwöchige Quarantäne zuhause einhalten. Die Verbreitung des Virus kann als Straftat gewertet und mit umgerechnet bis zu 120.000 Euro geahndet werden.
Die Binnenquarantäne gilt landesweit vorerst bis zum 24. März 2020. Zulässig sind nur die Wege zur Arbeit und notwendigste Gänge (Einkauf, Familie, Post). Die Geschäfte sind seit 14. März 2020 für vorerst 10 Tage geschlossen – mit Ausnahme derer, die der Grundversorgung dienen (Lebensmittel, Medikamente, Drogeriewaren, Tierbedarf, Stoffe, Benzin/Diesel). Öffentliche Veranstaltungen sind abgesagt, Schulen und Universitäten bis auf weiteres geschlossen. Restaurants und Hotels haben zu. Der Tourismus ist zum Erliegen gekommen. Die tschechische Bahn České dráhy hat den internationalen Reisezugverkehr eingestellt. Auch private Betreiber wie RegioJet oder Leo Express stoppten ihre grenzüberschreitenden Bus- und Bahnverbindungen.
Auch Industrie betroffen
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit legt ganze Dienstleistungsbranchen vorübergehend lahm – besonders Reiseveranstalter, Hotels und Restaurants, das Messe- und Veranstaltungswesen oder Transportunternehmen. Viele Tourismusfirmen ringen um ihr Überleben. Es profitieren die Nahrungsmittelbranche und der Lebensmitteleinzelhandel, der durch die Unsicherheit mehr Kunden und mehr Einkäufe registriert. Der ohnedies sehr dynamische E-Commerce-Sektor erhält zusätzlichen Schwung, da sich der Handel ins Internet verlagert.
Wie schwer die Epidemie sowie die nationalen und weltweiten Maßnahmen zu ihrer Eindämmung die tschechische Wirtschaft treffen werden, ist noch nicht abzusehen. Auch die Industrie leidet. Kurz vor Ausrufung des Notstands hat eine Blitzumfrage des Tschechischen Verbands für Industrie und Transport unter 350 Unternehmen ergeben, dass ein Drittel von ihnen Angestellte hat, die sich in Quarantäne befinden. Fast 38 Prozent der Firmen haben bereits oder rechnen in Kürze mit Lieferproblemen bei Teilen, Komponenten oder Rohstoffen und mit Logistikproblemen. Die Absage von Bestellungen und sinkende Nachfrage spüren 35 Prozent. Mit Cashflow-Problemen konfrontiert sieht sich ein Fünftel.
Überbrückungskredite gefragt
Zentralbankgouverneur Jiří Rusnok rechnet mit erheblichen Auswirkungen für die Wirtschaft, doch sei es zu früh zu sagen, ob das ein Nullwachstum oder einen Rückgang bedeute. Zur Abfederung der negativen Auswirkungen hat die Tschechische Nationalbank mit Wirkung vom 17. März 2020 den wichtigsten Leitzins (2-Wochen-Repo) um 50 Basispunkte auf 1,75 Prozent gesenkt, den Lombardsatz auf 2,75 Prozent und den Diskontsatz auf 0,75 Prozent.
Sie stellte weitere Zinssenkungen in Aussicht, sollte die Lage das erfordern. Zugleich erklärte sie, dass die Kapitalposition des tschechischen Bankensektors dank der Kapitalreserven robust ist. Sollte es zu übermäßigen Kursschwankungen kommen, sei sie bereit, mit ihren Instrumenten zu reagieren. Die Tschechische Krone (Kč) hat im Zuge der Coronavirus-Krise stark abgewertet. Sie wurde am 16. März 2020 zu einem Wechselkurs von 26,960 Kč für 1 Euro gehandelt. Einen Monat zuvor waren es in der Spitze 24,795 Kč gewesen.
Die Regierung bietet betroffenen Unternehmen Kredite an. Kleine und mittlere Firmen, die nachweislich in ihrer wirtschaftlichen Aktivität durch die Folgen von Covid-19 und der damit zusammenhängenden präventiven Maßnahmen beeinträchtigt wurden, können seit dem 16. März 2020. einen zinslosen Kredit in Höhe von 0,5 Millionen bis 15 Millionen Kč (umgerechnet rund 18.500 bis 556.000 Euro) beantragen. Es geht darum, die Betriebsfähigkeit aufrecht zu erhalten, sprich Löhne, Energiekosten, Lieferrechnungen zu bezahlen. Das dazu verabschiedete nationale Programm heißt Kredit Covid. Insgesamt standen in einer ersten Phase umgerechnet über 22 Millionen Euro bereit. Gleich am ersten Tag aber war der Andrang so groß, dass 437 Anträge dieses Volumen erschöpften. Die Regierung hat daher weitere umgerechnet 37 Millionen Euro bereitgestellt. Das Programm läuft über die Tschechisch-Mährische Garantie- und Entwicklungsbank.
Die Zahl der bestätigten Erkrankungen an Covid-19 erreichte am 17. März 2020 vormittags 383. Mehr als 6.000 Personen wurden bereits auf das Virus getestet. Drei sind wieder gesund. Alle Regionen sind betroffen, besonders aber die Hauptstadt Prag. Täglich informiert das Gesundheitsministerium über die Entwicklung dieser Zahlen in einer Übersicht zu den Covid-19-Erkrankungen in Tschechien.