Brünn - Das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik hat am Mittwochvormittag sein mit Spannung erwartetes Urteil in Sachen Lissabon-Vertrag bekannt gegeben: Nach Auffassung des höchsten tschechischen Gerichts ist der EU-Reformvertrag mit der tschechischen Verfasssung vereinbar.
Die Verfassungsrichter unter Vorsitz von Pavel Rychetský hatten die Verfassungsmäßigkeit des Vertragswerks auf Antrag des Oberhauses des tschechischen Parlaments überprüft.
Mit dem Urteil ist der Weg frei, über den EU-Reformvertrag in den beiden Kammern des tschechischen Parlaments,dem Abgeordnetenhaus und dem Senat, abstimmen zu lassen.Tschechien, das am 1. Januar 2009 fürein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, ist das einzige EU-Land, in dem der EU-Vertrag noch nicht im Parlament zur Abstimmung gebracht wurde.
Vertreter der tschechischen Regierung begrüßten in ersten Stellungnahmen das Urteil. So sagte der von den Grünen in die Regierung entsandte Außenminister Karel Schwarzenberg, das Urteil sei "eine gute Nachricht für Europa und die Tschechische Republik". Das Verfassungsgericht habe die vorhandenen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ausgeräumt.
Niederlage für Václav Klaus
Premier Mirek Topolánek (ODS) sagte, dass er das Urteil des Gerichts respektiere, der Ratifizierungsprozess des EU-Reformvertrags in Tschechien werde nun weitergehen. Allerdings erwarte er nicht, dass mit dem Urteil die öffentliche und fachliche Diskussion beendet sei. Auch der Vizepremier und Minister für Europaangelegenheiten Alexander Vondra (ODS) begrüßte die Entscheidung des Gerichts.
Der beharrlichste Gegner des Lissabon-Vertrags, Tschechiens Staatspräsident Václav Klaus hatte noch gestern an der Verhandlung des Verfassungsgerichts teilgenommen und vehement die Verfassungsmäßigkeit des EU-Vertrags bestritten.
Nach Klaus' Auffassung ist der Vertrag nicht nur nicht im Einklang mit der tschechischen Verfassungsordnung, sondern steht gar "im Widerspruch mit allen grundlegenden Verfassungsprinzipien, die unantastbar sind und als Kern der Verfassung angesehen werden." Klaus hatte angekündigt, dass er im Falle, dass das tschechische Parlament dem Lissabon-Vertrag zustimme, er seine Unterschrift nur dann unter das Vertragswerk setzen werde, wenn der Vertrag zuvor auch von Irland ratifiziert worden sei. Eine offizielle Stellungnahme des Staatspräsidenten zum Urteil lag zunächst nicht vor. (nk)