Prag - In Prag steht das größte Stadion der Welt. Doch Tschechiens Hauptstadt ist überfordert mit dem Koloss. Seit zwei Jahrzehnten verfällt die Arena. Neue Nutzungskonzepte sollen Investoren anlocken.
Bereits 2008 fand ein Architekturwettbewerb statt. Doch zur Umsetzung der Ideen fehlte das Geld. Nun sind Investoren mit guten Ideen gefordert.
Der Gigantismus passt so gar nicht zum pittoresken Prag. Hoch über der Stadt, auf dem Strahov-Hügel, erstreckt sich auf 300 Metern Länge das größte Stadion der Welt. Neun Fußballfelder passen in das weite Rechteck. Fast 200.000 Zuschauer und Athleten strömten einst zu den legendären Spartakiaden.
Doch seit mehr als zwei Jahrzehnten bröckelt die Bausubstanz des Monuments. Sitzreihen sind eingefallen, Stahlträger rosten und Unkraut bahnt sich seinen Weg. Bislang verhindern ungeklärte Eigentumsfragen und fehlende Finanzmittel eine Rettung des Strahov-Stadions. Und als wären das nicht genug Probleme, liegt gleich nebenan eine zweite baufällige Arena - das Stadion Evžena Rošického. Für beide Sportstätten soll nun dringend ein Sanierungsplan her, um nicht mitten in der Stadt Bauruinen entstehen zu lassen. Experten schätzen die notwendigen Kosten auf bis zu 1,5 Mrd. Euro.
Ideen und Kapital sind gefragt
Angedacht ist, das große Spartakiadestadion der Stadt Prag zu übertragen, um klare Eigentumsverhältnisse zu schaffen. "Die Hauptstadt unterstützt den Erhalt dieses historisch und architektonisch bedeutsamen Bauwerks und ist für eine behutsame Lösung", erklärt Ludek Schreib von der Pressestelle des Magistrats. Die dafür nötigen Investitionen übersteigen aber die Möglichkeiten Prags.
Schon 2008 veranstaltete die Stadt einen Architektenwettbewerb für das Areal unter dem Motto: Individualismus statt betonierte Massenideologie. Die eingereichten Entwürfe reichten von Luxusbebauung über einen Erholungspark bis zu einem Kultur- und Sportzentrum. Dabei müssen die Fassaden des Stadions jedoch erhalten bleiben. Denn laut Beschluss des tschechischen Kulturministeriums sind sie als historisches Monument geschützt.
Zu den Wettbewerbssiegern bei der Ideensuche für das Strahov-Stadion gehört der Prager Architekt Jan Mužík vom Büro ABM architekti. Er glaubt nicht, dass es in Tschechiens Hauptstadt heute noch Bedarf für eine solch große Sportstätte gibt. Sinnvoller wäre ein Aufbrechen der gewaltigen Fläche. ABM architekti hat vorgeschlagen, hier einen neuen Stadtpark mit Rad- und Fußwegen zu errichten.
Die Tschechische Sportunion ČUS, neben der Stadt Prag Eigentümer einiger Flächen, setzt sich zwar für eine sportliche Nutzung des Geländes ein. "Doch das überdimensionierte Strahov-Stadion hat seinen Sinn verloren und wird für Sport- oder Kulturveranstaltungen nicht mehr gebraucht", meint Pressesprecherin Lenka Ticha. "Es sollten nur die Bereiche revitalisiert werden, die einen sinnvollen Betrieb ermöglichen."
Dazu gehört das benachbarte Rosickeho-Stadion, das seit Anfang 2014 in Besitz des Tschechischen Fußballverbands FAČR ist. Die Sportstätte soll zum neuen Nationalstadion werden und ein Austragungsort für die Fußballeuropameisterschaft 2020. Bislang allerdings fehlt für den 100 Mio. Euro teuren Umbau die Unterstützung der Regierung. Am Strahov-Hügel sind nun Investoren mit Ideen und Kapital gefragt, um den Verfall des geschichtsträchtigen Kolosses zu stoppen.
Sport für die Massen
Der Bau der gigantischen Arena begann Mitte der 1920er Jahre für die Turnbewegung Sokol und deren Massensportfest Slet. Aus den provisorischen Holztribünen wurden später Zuschauerränge aus Stahlbeton. Die endgültige Kapazität von rund 140.000 Steh- und Sitzplätzen wurde zwischen 1955 und 1972 erreicht. Nun wurden die Spartakiaden vor einem Massenpublikum im größten Stadion der Welt ausgetragen.
Diese Turn- und Sportfestspiele fanden alle fünf Jahre mit gigantischer Choreografie der teilnehmenden Sportler statt. Sie sollten Werbung machen für die Körperkultur und den Leistungssport. Nach dem Umbruch 1989 verfiel der Komplex ohne ein Nutzungskonzept. Zweimal gastierten die Rolling Stones hier, Messen und Musikfestivals fanden ebenfalls statt. Seit 2003 trainiert der Fußballklub Sparta dort seine Talente. (nk)