rag - Ein Großbrand hat gestern in den Abendstunden große Teile des historischen Prager Industriepalais' (Průmyslový palác) auf dem Ausstellungsgelände Výstaviště zerstört. Hunderte Konzertbesucher mussten in Sicherheit gebracht werden, verletzt wurde aber niemand. Die Brandursache ist noch nicht geklärt, Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen.
In Prag tagte während der Nacht ein von Prags Oberbürgermeister Pavel Bém (ODS) einberufener Krisenstab. Ersten Schätzungen nach könnten die bei dem Feuer entstandenen Schäden bis zu einer Milliarde Kronen betragen.
In einer ersten Reaktion hatte Bém gestern Abend im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) ankündigt, dass die zerstörten Teile des Jugendstilbaus wieder aufgebaut werden sollen. Bei dem Feuer war gestern der gesamt linke Seitenflügel des 1891 nach Plänen des Architekten Bedřich Münzberger errichteten Gebäudes niedergebrannt.
Wie der Krisenstab heute mitteilte, war das Feuer gestern um 19.20 gemeldet worden. In den späten Abendstunden konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden, die Löscharbeiten dauern jedoch auch am Freitagmorgen noch an. An dem Löscheinsatz waren fast 300 Feuerwehrleute der Prager Berufsfeuerwehr und freiwilliger Feuerwehren beteiligt. Zwei Feuerwehrleute erlitten bei dem Einsatz leichte Verletzungen.
Brandexperten sollen nun die Ursache für das Feuer untersuchen. Wie die Zeitung Právo meldet, sollen Zeugen von einer Explosion im Innern des Gebäudes berichtet haben. ČT-Reporter sagten, Feuerwehrleute hätten es verdächtig gefunden, dass alle Fenster des Gebäudes weit geöffnet waren, wodurch das Feuer genügend Sauerstoff bekommen und der Brand angeheizt worden sei und sich schnell ausbreiten konnte.
Steht der Brand in Verbindung mit dem Mordfall Kočka?
Doch nicht nur wegen des Umfangs des Feuers in dem überwiegend aus einer verglasten Eisenkonstruktion bestehenden Bau wurde bereits gestern in tschechischen Medien über mögliche Brandstiftung spekuliert. Anlass zu Spekulationen gibt auch die Tatsache, dass man zeitliche und personelle Berührungspunkte zwischen dem Brand und dem Fall des in der vergangenen Woche ermordeten Unternehmersohnes Václav Kočka junior finden kann.
Der Sohn des umstrittenen gleichnamigen Unternehmers Václav Kočka senior war genau eine Woche vor dem Brand, am Donnerstagabend vergangener Woche, in einem Prager Restaurant von dem Unternehmer Bohumír Ďuričko erschossenen worden. Das Motiv der Tat, die sich nach einer Buchpräsentation von ČSSD-Chef Jiří Paroubek ereignete, ist noch nicht geklärt. Gerade gestern wurde unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen der Tathergang am Tatort in dem Prager Lokal Monarch von der Polizei in getrennten Sitzungen mit dem mutmaßlichen Täter und den Tatzeugen (darunter der Vater und der 17-jährige Sohn des Ermordeten) rekonstruiert.
Wie tschechische Medien berichten, besteht eine personelle Verbindung zwischen dem Mordfall und dem Brand des Industriepalais, und zwar in den Personen Václav Kočka senior und Jan Kočka, dem älteren Bruder des Ermordeten.
So wurde der gestern abgebrannte linke Flügel des Industriepalais' von der Firma des älteren Bruders gemietet. Die Zeitung Právo berichtet heute unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen aus der Umgebung der Familie Kočka, dass bei dem Brand die gesamte Firmeneinrichtung samt -dokumenten verbrannt seien. Jan Kočka soll bei der Nachricht darüber einen Zusammenbruch erlitten haben, so Právo. Václav Kočka senior wiederum, dem Verbindungen zur Prager Halb- und Unterwelt nachgesagt werden, ist Assistent des Inhabers der Messegesellschaft Incheba, die das Prager Messegelände verwaltet.
Auf diese Verbindungen angesprochen, sagte Prags Oberbürgermeister Pavel Bém gestern im tschechischen Fernsehen, er müsste lügen, wenn er bestritte, hier nicht über mögliche Zusammenhänge nachzudenken. In der offiziellen Stellungnahme Béms, die heute auf den Webseiten des Magistrats veröffentlicht wurde, heißt es dazu vorsichtig: "Zu diesem Zeitpunkt sind alle Erwägungen und Spekulationen, die im Zusammenhang mit dem Brand in den elektronischen Tageszeitungen aufgetaucht sind, überflüssig und vorzeitig, die Fakten müssen uns die kompetenten Organe erst in den kommenden Tagen liefern." (nk)