Prag - Der Vorsitzende des Prager Abgeordnetenhauses Miloslav Vlček hat auf Antrag der Sozialdemokraten für Freitag einer Sondersitzung der unteren Parlamentskammer einberufen.
Die ČSSD-Abgeordneten erwarten auf der Sondersitzung von der Regierung Informationen über die neueste Entwicklung in der Causa des Stellvertretenden Regierungschefs Jiří Čunek (Foto links), gegen den wegen des Verdachts der Korruption ermittelt wird. Die Tagesordnung muss aber noch von der Mehrheit der Abgeordneten gebilligt werden, meldet die Nachrichtenagentur ČTK.
Hintergrund ist die Entscheidung der Obersten Staatsanwältin Renata Vesecká (Foto rechts), die am Freitag die Ermittlungen in der Causa Čunek überraschend dem ermittelnden Přerover Staatsanwalt Radim Obst entzogen und an den Staatsanwalt Arif Salichov in Jihlava übertragen hatte.
Vesecká begründete diesen Schritt mit angeblichen Verfahrensfehlern der Přerover Staatsanwaltschaft und Ermittlungsfehlern, die sich die und die Polizei zu Schulden lassen kommen habe und auf die die Staatsanwaltschaft nicht reagiert hätte.
Sozialdemokraten und Kommunisten vermuten dagegen, dass politische Motive der wahre Grund für den Schritt der Obersten Staatsanwaltschaft sind oder politischer Druck seitens der Regierung ausgeübt worden sein könnte. Am Freitag hatten die Abgeordneten von ČSSD und KSČM daher während einer Parlamentsdebatte aus Protest demonstrativ das Abgeordnetenhaus verlassen. Als Reaktion auf die massive Kritik forderte Vesecká daraufhin, die Gründe für ihre Entscheidung vor dem Abgeordnetenhaus darlegen zu dürfen.
Vesecká: Keine Entscheidung in der Sache
Vesecká wies am Sonntag in der Diskussionssendung „Otázky Václava Moravce“ des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (ČT) dann erneut die Vermutung zurück, hinter der Entscheidung stünden politische Motive. Die Übertragung des Falls sei zudem weder eine Entscheidung in der Sache noch habe die Oberste Staatsanwaltschaft die Beweise bewertet oder gewürdigt, so Vesecká.
Čunek selbst begrüßte in der Sendung die Entscheidung der Obersten Staatsanwaltschaft. Er beteuert weiterhin seine Unschuld und vermutet seit Anbeginn hinter den Bestechungsvorwürfen eine politische und mediale Kampagne gegen ihn.
Eine Anti-Korruptionseinheit der Polizei verdächtigt Čunek, am 11. Februar 2002 eine Schmiergeldzahlung von einem Vertreter der Vsetíner Immobilienfirma H&B Real entgegengenommen zu haben. Als Indiz dafür sieht sie an, dass Čunek damals auf sein Bankkonto 497.000 Kronen einzahlte. Die Immobilienfirma wiederum hatte kurz zuvor von ihrem Firmenkonto 499.000 Kronen abgehoben.
Der Fall Čunek sorgt seit längerem für Spannungen in der Prager Regierungskoalition und könnte im Falle einer Anklageerhebung gegen den Vizepremier ernsthaft den Bestand der Dreierkoalition gefährden. Erst in der vergangenen Woche hatte Außenminister Karel Schwarzenberg Medienberichten zufolge erklärt, er werde die Regierung verlassen, sollte Jiří Čunek im Falle einer Anklageerhebung gegen ihn weiter im Kabinett verbleiben. (nk)