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Kill your Darlings

Fringe 2017: "Hummingbird" (Schottland/England/Frankreich)

Der nostalgische Charme der 50er Jahre erfüllt den Raum. Ein dezenter, warmer Schleier aus Licht liegt über der Bühne und lässt sie größtenteils im Dunkeln. Musik und Stimmen knattern aus einem abwesenden Plattenspieler.

Ein kleiner Ort in den USA. Edith Cole, jung und naiv, arbeitet in einem Bestattungsunternehmen, sehnt sich nach Liebe und einem besseren Leben. Durch die Radiosendung "Lonely Hearts" lernt sie Ralph Conti kennen, ein charmanter, gut aussehender Mann und für beide ist es Liebe auf den ersten Blick. Ralph ist ein professioneller Betrüger, was er zunächst jedoch vor ihr geheim halten kann. Sie ziehen zusammen und schon bald findet Edith heraus, welches Geheimnis Ralph hütet: Er sucht gezielt nach wohlhabenden, alleinstehenden Frauen, die sich auf eine Liebesbeziehung mit ihm einlassen und dann schamlos ausgeraubt werden. Edith entwickelt eine bizarre Affinität zu seinem Betrug und wird seine Verbündete. Gemeinsam gewinnen sie das Vertrauen ihrer Opfer, werden schließlich zu skrupellosen Mördern.

Basierend auf einer wahren Geschichte, die unter dem Namen "The Lonely Hearts Killers" bekannt wurde, zeigt die Tooth+Nail Theatre Company eine beeindruckende Umsetzung des historischen Materials. Atemberaubend präzise ergänzen sich Textfragmente und Dialoge mit akrobatischen Einlagen. Schnelle Szenenübergänge wechseln sich mit Momenten des Stillstands ab, in denen die Darsteller eingefroren in ihrer Pose verharren. Physisches Theater nach Leqoc korreliert mit einem starken visuellen Konzept. Die drei Schauspieler transformieren raffiniert ihre wenigen Requisiten, die oftmals nur als reine Zeichen verwendet werden. So repräsentieren lediglich animierte Hüte und Schuhe die Existenz anderer Frauen. Ein Kleid wird wie eine Puppe durch den Raum geführt, geisterhaft und gesichtslos. Ein dritter Spieler huscht von Situation zu Situation und springt in alle anderen Rollen – mitfühlend, anklagend, entlarvend. Von der ersten bis zur letzten Minute ist das Stück kunstvoll choreographiert. Ein Tableau Vivant, in welchem jede Bewegung bis ins kleinste Detail festgelegt ist und die dramatische Dynamik des Stückes unterstreicht.

"Hummingbird", benannt nach den Geräusch des elektrischen Stuhls, auf welchem Edith und Ralph letztendlich hingerichtet werden, erzählt nicht nur von einem mordenden Gangsterpärchen. Die Geschichte lässt sich ebenfalls als morbider (feministischer) Befreiungsschlag lesen und als verzweifelter Versuch, dem gesellschaftlichen Korsett der 50er Jahre zu entfliehen.

Externer Link: www.toothandnailtheatre.comwww.toothandnailtheatre.com
Bildnachweis:
Praguefringe.com

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