Prag - Mehr als sieben Monate nach den Parlamentswahlen in Tschechien hat im Prager Abgeordnetenhaus die Aussprache vor der Vertrauensabstimmung über die zweite Regierung von Mirek Topolánek begonnen.
Vor der Abstimmung deutet alles daraufhin, dass das Minderheitskabinett aus ODS, Christdemokraten und Grünen dank der Tolerierung von zwei Abweichlern aus den Reihen der Sozialdemokraten das Vertrauen der Abgeordnetenkammer erhalten könnte.
In der Aussprache ließ Premier Topolánek sich auch von dem Lärm im Abgeordnetenhaus nicht aus der Ruhe bringen. In seiner kurzen Rede gab er sich selbstbewusst und zielorientiert: "Diese Regierung sagt klar, entweder setzen wir Reformen durch, oder es sollen vorzeitige Neuwahlen über die weitere Richtung entscheiden“
Sein Hauptopponent, ČSSD-Chef Jiří Paroubek, redete deutlich länger und übte scharfe Kritik sowohl an der personellen Zusammensetzung der Regierung als auch an der Tatsache, dass sie bei der Vertrauensabstimmung auf einzelne Abgeordnete aus Reihen der Opposition setze. Nach Auffassung von Paroubek haben die meisten Minister schlicht nicht das Zeug zum Regieren. Zudem stütze sich die Regierung auf „Verrat, politische Korruption und Erpressung“.
Die Abstimmung verzögern derzeit lange Monologe von Abgeordneten, die sich insbesondere mit der Art und Weise befassen, auf welche die Regierung das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erlangen will. Zur Diskussion haben sich insgesamt 38 Abgeordnete angemeldet, wie der Online-Dienst der Tageszeitung Mladá fronta Dnes (Prag) meldet. Gegen 14 Uhr hatte demnach etwa ein Drittel von ihnen von ihrem Rederecht Gebrauch gemacht.
Topoláneks Mitte-Rechts-Bündnis verfügt im Abgeordnetenhaus nur über 100 von 200 Mandaten. Allerdings hatten die Abgeordneten Miloš Melčák und Michal Pohanka (ursprünglich ČSSD) bereits am Dienstagabend vor Journalisten in Prag erklärt, sie wollten sich am Freitag bei der Vertrauensabstimmung enthalten und das Kabinett von Mirek Topolánek so de facto unterstützen.
Melčak und Pohanka haben zudem am Freitagmorgen eine Vereinbarung mit der Regierung unterschrieben, in denen die Bedingungen für eine Tolerierung festgeschrieben waren und die als Absicherung dienen sollte, dass die Regierung auch nach gewonnener Vertrauensabstimmung sich an ihre den beiden Abweichlern gemachten programmatischen Zugeständnisse halten würde.
Bekommt Topoláneks Regierung tatsächlich alle Stimmen aus dem Regierungslager, hätte sie somit die Vertrauensabstimmung bestanden. Sollte jedoch auch der zweite Versuch von Topolánek noch überraschend scheitern, für eine von ihm geführte Regierung das Vertrauen der Abgeordnetenkammer zu erlangen, wäre seine politische Karriere damit wohl beendet. (nk/gp)