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Tschechien OnlineTschechien Online | Rubrik: Theater, Oper, Tanz | 27.8.2009
Auftakt der Spielzeit im Nationaltheater Prag mit Dvořáks “Rusalka”

Prag - Am 2. September beginnt die Opernspielzeit im Nationaltheater mit Antonín Dvořáks “Rusalka”, also genau dort, wo sie hingehört.

Hier hatte das Singspiel um die Wasserelfe, die zu einem stummen Menschen wird, sobald sie ihr angestammten Element verlässt, seine Welturaufführung 1901 erlebt, und die diesjährige 127. Saison des Národní divadlo wird nun mit einer Inszenierung eingeläutet, die in der vergangenen Spielzeit am 10. Mai ihre Premiere hatte.

Natürlich geht es auch in dieser Neuauflage um das Schicksal einer Unterwasserbewohnerin, deren Kontakt zur Oberwelt der trockenen Ufer im sehnsuchtsvollen Besingen des noch trockenen und ferneren Erdtrabanten beschränkt bliebe, wenn da nicht eben doch ein Mensch, ein Mann gar in das so geordnete Leben träte. Ach, wie könnte man ihn lieben, wäre man doch nur ein Mensch! Ein Deal mit der Hexe aus der Zwischenwelt, verwandelt die Wasserelfe dann zwar in ein fleischliches Wesen, doch nur unter der Bedingung, in der Oberwelt stumm zu bleiben und nicht auch noch sprechen zu können wie ein Mensch.

Doch ist Liebe ohne Worte möglich? Die Liebe vielleicht, aber die Oper nicht. Und schon gar nicht ohne Gesang, also geht es letztlich voller Enttäuschung und Liebeskummer zurück ins angestammte Element, und schon wird wieder gesungen, nun freudlos zwar, aber nicht weniger zu Herzen gehend als zuvor, zumal das Sänger-Ensemble und das Orchester unter der Leitung des Dirigenten-Shootingstars Jabuk Hrůša musikalisch nichts zu wünschen übrig lassen.

Diese neue Inszenierung der letzten und schönsten Oper von Dvořák durch den hauseigenen Opernchef Jiří Heřman will das Gewicht der Geschichte auf die Last der Unzufriedenheit des Menschen mit seinen, ihm eigenen Beschränkungen legen. Dazu hat der Regisseur den Märchencharakter aus der Inszenierung nehmen wollen, um die Konfliktlinie zwischen den Sehnsüchten und der Unmöglichkeit ihrer Erfüllung nicht zwischen der Natur und dem Menschen anzusetzen, sondern in jedem Menschen selbst.

Ein hehrer Anspruch, und es ist sicher richtig, dass nicht die Natur durch den Kontakt mit dem Menschen versaut wird, sondern es der Natur herzlich egal ist, wie sehr sich der Mensch durch seine Begierden die eigenen Überlebensbedingungen in ihr ganz allein versaut. Ob dem Regisseur es aber gelungen ist, diese Botschaft dadurch zu vermitteln, dass der verwunschene See im Rechteck präsentiert wird und seltsame männliche Idealgestalten in strahlend reinen Unterhosen im Windelformat unentwegt durch die unterweltliche Natur streifen? Da scheint doch eher die oberweltliche Orgie, bei der sich Geschlechterpaare in Zeitlupe über den Tisch biegen und wiegen, schon klarer die menschlichen Verlangen zu verdeutlichen.

Die vorhergegangene Inszenierung, die ganz und gar märchenhaft war, fand zwischen 1998 und 2008 ansehnliche 143 Reprisen, mal sehen, ob diese letztlich gelungene, allerdings durch ihren eigenen Anspruch auch mit einigen Unstimmigkeiten behaftete Inszenierung diese Marke erreichen wird, oder ob sich das Publikum schon bald wieder seine Märchenwelt zurückwünscht, in der Mensch und Natur noch zwei nebeneinander bestehende Welten waren, die immerhin einen Flucht von der einen in die andere ermöglichte, selbst wenn diese nur einen Theaterabend andauern konnte.

In dieser Saison wird diese “Rusalka” jedenfalls noch etliche Male zu sehen sein, und dazu erwarten uns noch sechs Premieren von Neuinszenierungen von Opern. Gespannt darf man bereits am 29. Oktober auf Martinůs “Marienspiele” sein, das ebenso eine hauseigene Produktion wiederum unter der Regie des Opernchefs Jiří Heřman ist. Als Vergleichsstück mag vielleicht Janáčeks "Káťa Kabanová" gelten, dass vollständig unter der Leitung des Amerikaners Robert Wilson inszeniert wird, und worin einmal mehr die deutschen Sopranistin Gun-Brit Barkmin die Titelrolle singen wird, die bereits in “Die Sache Makropulos” auch auf Tschechisch brillierte. Auch zu dieser Inszenierung gibt es ein Vergleich, und zwar eine gelungene Aufführung des Theaters aus Ústí nad Labem, die im März 2009 in Prag im Rahmen des 9. Festivals des Musiktheaters gezeigt wurde.

Zudem wird es Neues aus dem internationalen Repertoire geben: “Hoffmanns Erzählungen” von Jacques Offenbach, “Salome” von Richard Strauss und zweimal Mozart. Vor allem “Idomeneo” läßt uns nach dem Skandal in Berlin Vergleiche anstellen. Dort zierten die abgeschnittenen Köpfe der Religionsstifter die Bühne und sorgten für einen vorprogrammierten interkulturellen Streit zwischen Religionswürde und künstlerischer Regiefreiheit, der schließlich alle Kultur-Gut-Menschen zur politisch-korrekten Anteilnahme fürs letztere in die geschmacklose Inszenierung trieb.

So etwas wird uns wohl erspart bleiben im doch eher biederen Prager Großtheater-Betrieb. Wem dafür zu danken sein wird, Jesus, Mohammed oder Buddha, die in Berlin ihres Hauptes entledigt worden sind, oder doch einfach dem böhmischen Schönheitssinn? Das zu entscheiden heben wir uns auf für die Zeit nach all den schönen und anstrengenden, den langweiligen und amüsanten, doch so oder so immer wieder bereichernden Opernabenden der diesjährigen Saison des Národní divadlo. (mm)

Themen: Nationaltheater Prag, Antonín Dvořák, Jiří Heřman, Jabuk Hrůša

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