So manch einer war erstaunt, als ich letzten Frühling erzählt habe, dass mein Auslandssemester in Prag stattfinden wird. „Warum Prag?“ haben sie gefragt, „warum nicht England oder gleich in die U.S.A.! Das ist doch für Biologie viel besser.“
Wahrscheinlich haben sie Recht. Karrieretechnisch hätte ich mich als Biologie-Student wahrscheinlich Richtung Angelsachsen umschauen sollen. Aber als ob zähes Rindfleisch auf Minzsauce mit Vepřo-knedlo-zélo mithalten könnte, geschweige denn von englischem Tee oder fad schmeckendem Guiness verglichen mit Gambrinus oder dem Pils aller Biere Pilsner Urquell. Dazu noch das unschlagbare Flair der Goldenen Stadt. Da konnte ich nicht widerstehen…
Aber wie ist die Biologie nun an der Karlsuniversität, eine der ältesten Universitäten Europas, vertreten? Wer sich informieren will, geht heutzutage immer erst einmal ins Internet. Man findet eine gut strukturierte Internetpräsenz (www.cuni.cz) und findet auch nach einigem Einarbeiten den Link zur naturwissenschaftlichen Fakultät (http://www.natur.cuni.cz/faculty). Diese ist zwar sehr schön aufgebaut und auch strukturiert in Biologie, Chemie, Geographe und Geologie gegliedert, allerdings gibt die englische Fassung der Homepage nur wenige Informationen her.
Was macht man also als moderner Student? Man schreibt Emails! Und genau hier haben die Probleme angefangen, als ich versucht habe, von Konstanz aus Kurse zu finden! Denn es scheint so, als mögen die Dozenten bzw. Erasmus-Koordinatoren keine Emails. Oder zumindest wartet man ein bis zwei Ewigkeiten auf eine Antwort. Das führte schlussendlich dazu, dass ich keine Ahnung hatte, was ich hier studieren werde. Leider verbesserte sich dieser Zustand nur mäßig als ich dann hier war.
Aber nach einigem Hin und Her hatte ich doch insgesamt 5 interessant klingende Kurse zusammengesucht: 2 Immunologie-Vorlesungen, die beide auf Englisch gehalten wurden, Pflanzenphysiologie (weniger interessant aber auf Englisch) und Physiologie von Tieren und Bakterien. Die zwei letzteren Vorlesungen haben sich deshalb als Herausforderung entlarvt, weil sie auf Tschechisch gehalten wurden. Ich habe also, per Email versteht sich, nachgefragt, ob ich denn eine englische Klausur am Ende des Semesters schreiben könnte, um so den Kurs zu bestehen. In Tierphysiologie war das gar kein Problem. Wir (3 Spanierinnen und ich) haben uns sogar einmal wöchentlich mit dem Dozenten getroffen, der kurz mit uns durchgegangen ist, was er unseren tschechischen Mitstudenten in der letzten Vorlesung erzählt hat. Das hat nicht nur Spaß gemacht, sondern war auch noch extrem liebenswürdig und hilfsbereit! Ganz im Gegensatz zu der für die Bakterien verantwortlichen Dame: Nach ca. 15 ½ Emails kam die Antwort, dass es möglich sei, die Klausur auf Englisch mitzuschreiben. Schön. Aber welche Themen? Nach weiterem Email-Bombing hat sie mich in ihr Büro geladen. Vor lauter Konferenzstühle im Büro habe ich die Dame erst nicht gesehen, dann aber hörte ich eine Stimme und sah sie dann schon. Sie gab mir eine Liste mit Themen aus einem Buch und hat sie mir in die Hand gedrückt und dann gemeint, ich müsste jetzt gehen, weil sie es wahnsinnig eilig hat. Resultat: Eine DIN A4 Seite mit Themen und ein 2minütiges Gespräch. Und dafür bin ich ca. eine Stunde von Hostivař zur Fakultät gefahren. Einfache Strecke. Großartig!
Es gibt aber auch die positiven Seiten (die auch ehrlich gesagt deutlich überwiegen!): So gab es in der einen Immunologie-Vorlesung eine so genannte „Take-Home Klausur“. Heißt, dass wir 6 Fragen zugeschickt bekamen (21. Jahrhundert: EMAIL!) von denen wir 4 in den nächsten 72 Stunden beantworten sollten. Das habe ich in der Biologie so noch nie gesehen. Noch nicht mal gehört. Aber ich muss sagen, dass dieses System deutlich mehr Sinn macht. Denn dieser Dozent hat keinen Wert darauf gelegt, dass wir unendlich lange, intrazelluläre Signalkaskaden auswendig lernen, sondern dass wir Prinzipien verstanden haben. Und meiner Meinung geht’s auch genau darum in der Biologie. Details kann man nachschauen, wenn man sie braucht. Und so waren diese 6 Fragen erstens fair gestellt, man konnte jegliche Hilfsmittel (klar, Internet!) benutzen die man wollte und dieser Kurs hat einfach Spaß und Sinn gemacht.
Unter dem Strich bleibt insgesamt ein positiver Eindruck. Wenn die Dozenten zurück schreiben oder man persönlich vor ihnen steht, sind sie stets sehr freundlich und bemüht, einem das Studieren in einem Land, dessen Sprache man nicht spricht, zu erleichtern und zu helfen wo sie nur können. Und von Physiology of Bacteria mal abgesehen, hat mir das Studieren hier auch Spaß gemacht und ich kann und muss es an dieser Stelle einfach weiterempfehlen. Vielleicht ließt sich das nicht so hervorragend in meinem Lebenslauf, aber dafür habe ich hier mein, mit Abstand, bestes Semester überhaupt studiert!