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Der Autor

Jonathan Böhm, geb. 1983 in Zwickau (Sachs.), lebt in Leipzig. Er studierte Komparatistik, ev. Theologie und Latinistik in Leipzig und Prag sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Er war Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Jahr 2015/16 war er Mitherausgeber der Tippgemeinschaft, der Jahresanthologie der Studierenden des Deutschen Literaturinstitutes Leipzig.

Veröffentlichungen finden sich unter anderem in der Anthologie Tippgemeinschaft, den Zeitschriften Bella Triste, sowie Sinn und Form. Im Oktober 2016 erschien seine Erzählung „Mandana“ im hochroth-Verlag Leipzig. Für seine Kurzgeschichte »In den Farben der Republik« erhielt er im Januar 2017 den Förderpreis 2016 der Sudetendeutschen Kulturstiftung.

Im Frühjahr 2018 war er Stipendiat des Goethe-Instituts Tschechien im Kloster Broumov. Im Mai und Juni 2019 Aufenthaltsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen im Prager Literaturhaus.

Bildnachweis:
© Archiv Jonathan Böhm
| | | 3.9.2019

09.06.19

Wollen uns am frühen Nachmittag mit Ondřej Cikán im Riegerpark treffen. Wir fahren mit der Metro bis Jiřího z Poděbrad und warten in der prallen Sonne vor der monströsen Kirche, die aber einen wunderschönen goldschimmernden Altar hat. Anouk und ich stellen uns an die Tür und schnuppern dem Weihrauchdurft nach, der aus dem kühlen Inneren der Kirche nach draußen drängt. Kurz darauf kommt auch Ondřej mir seiner Schwester Eliška und den Kindern an. Es herrscht enorme Hitze, trotzdem trägt er lange Hosen und feste Schuhe. Wir laufen in Richtung Park und kaufen unterwegs noch ein Eis. Karo will die letzten Sachen zu seinen Erfahrungen mit den Stipendien aufnehmen, am Ende reden sie noch mehr als eine Stunde darüber und ich und Eliška betreuen die Kinder.

Danach müssen wir schon weiter und auch Eliška und Ondřej müssen weg, so dass keine Zeit mehr bleibt, für mein Gespräch mit ihm. Daher verabreden wir uns für den Abend in einem Biergarten, von dem Ondřej mir vorschwärmt.

Am Nachmittag fahre ich mit Anouk, M. und J. auf der Moldau Tretboot. Anouk hatte sich das schon sehr lange gewünscht und außerdem ist heute M.s Geburtstag und daher will ich auch was mit ihm machen. Die Stadt sieht natürlich toll aus vom Fluss und auch die Luft über dem Wasser ist angenehm, gleichzeitig ist es aber auch sehr voll auf der Moldau, was das ganze Erlebnis ein bisschen schmälert.

Der Biergarten heißt »Kafárna na aus řeči« und liegt unterhalb des Weinberger Wasserwerks mit Blick Richtung Werschowitz. Als ich komme, ist Ondřej noch nicht da, also hole ich mir drin ein Bier und setze mich raus, kurz darauf eine SMS, dass es noch länger dauert, seinen Sohn ins Bett zu bringen und ich mich gedulden muss. Das fällt mir nicht schwer, ich lese ein wenig in den Literárny Noviny und gefühlt zehn Minuten später kommt Ondřej schon an meinen Tisch. 

(...)

Dann erzählt mir Ondřej noch, dass die Chinesen der LN eine Beilage finanziert hätten. Mir leuchtet das ein, denn auch ich habe mich gewundert, was ein ganzes Heft voller ausschließlich positiver Artikel über China soll, in denen es immer nur um eines geht: wie toll dieses und jenes funktioniert, wie schön die Städte wachsen und aussehen, wie gut die Umstellung auf Elektromobilität geglückt ist und so weiter und sofort und dabei kein Wort über Gefangenenlager, kein Wort über die Misshandlung der uigurischen Minderheit etc. Ondřej erklärt sich das mit den prekären Finanzen der Zeitung, dass ihr die Leser sprichwörtlich wegsterben und das Miroslav Pavel als Herausgeber auf Sponsoren angewiesen ist. Ich wundere mich darüber, dass die Zeitung sich so aufstellt, anstatt lieber kürzer zu treten.

Gegen Mitternacht kommt die Leiterin des nationalen Literaturarchivs Hana Klínková vorbei und trinkt mit uns zwei Bier. Sie gibt mir ihre Karte und lädt mich ein, falls ich mal im Briefnachlass von Bohumil Hrabal stöbern möchte, solle ich mich direkt an Sie wenden, ein Angebot das ich dankend annehme.

Es geht auf halb drei, als ich die stille Korunní hinunter und über den Platz des Friedens laufe, wo sich die Obdachlosen auf den Bänken schon zur Nacht gebettet haben. Es stinkt leicht nach Urin und irgendwo plätschert ein Brunnen. Am Pawlow-Platz kriege ich gerade noch so die Nacht-Tram nach Hause, in der sitzen vereinzelt Leute und alle reden mit sich selber. Erst nach einer Weile kapiere ich, dass wirkliche Verrückte nur zwei da sind und der Rest gerade telefoniert.

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