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Tschechien OnlineTschechien Online | Rubrik: Kultur | 13.10.2008
Wochenmagazin Respekt veröffentlicht neue Dokumente zu einem Fall aus dem Jahr 1950

Prag - Der weltbekannte tschechische Schriftsteller, der in Paris lebende 79-jährige Milan Kundera, soll als junger Mann einen West-Agenten bei der kommunistischen Staatssicherheit angezeigt und diesen so für Jahre ins Gefängnis gebracht haben.

Das berichtete gestern das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen (ČT) unter Berufung auf die heute erscheinende Ausgabe des Wochenmagazins Respekt (Prag).

Dem Bericht nach soll Kundera im Jahr 1950 als Student der Filmakademie FAMU den Freund einer Kommilitonin denunziert haben, als dieser die Studentin heimlich im Studentenwohnheim besuchte. Bei dem Angezeigten soll es sich um den ehemaligen Piloten Miroslav Dvořáček handeln, der damals bereits in den Westen geflohen, aber für westliche Geheimdienste als illegaler Grenzgänger und Agent tätig war. Nach Aussage des Historikers Vojtěch Ripka vom Institut für die Erforschung totalitärer Regime drohte Dvořáček damals die Todesstrafe. Tatsächlich wurde er zu 22 Jahren Haft verurteilt, von denen er 14 Jahre in kommunistischen Gefängnissen und bei der Zwangsarbeit in Uran-Minen verbüßte.

Miroslav Dvořáček lebt heute in Schweden und erholt sich von einem Schlaganfall. Bisher war man davon ausgegangen, dass er damals von der Bewohnerin des Studentenwohnheims denunziert worden war, bei der er seinen Koffer abgestellt hatte. Wie das Tschechische Fernsehen gestern berichtete, sprechen jedoch neu aufgetauchte Dokumente und Zeugenaussagen dafür, dass Dvořáček aufgrund einer Anzeige von Milan Kundera verhaftet worden war. Diese Version sei "sehr wahrscheinlich" so Vojtěch Ripka.

Milan Kundera selbst hat laut ČT eine Anfrage des Senders zu der Sache unbeantwortet gelassen. Kundera, "der nach Václav Havel vermutlich bekannteste lebende Tscheche" (ČT) zählt zu den international renommiertesten und meistgelesenen tschechischen Autoren. Zu seinen bekanntesten Werken gehören "Der Scherz" (1965/67) und der ebenfalls verfilmte Welterfolg "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (1982).

Der in Brünn geborene Kundera lebt seit 1975 in Frankreich, 1981 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft, nachdem ihm zuvor das kommunistische Regime die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen hatte. Seit 1993 schreibt Kundera in französischer Sprache. Im vergangenen Jahr war Kundera mit dem tschechischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet worden. Der Preisverleihung im Tschechischen Musikmuseum blieb der Schriftsteller jedoch fern, den Preis nahm für ihn ein Freund entgegen. (nk)

Themen: Milan Kundera, StB
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