Blogs

Blogs

Der Autor

Dorothea Starck, Jahrgang 1989, studierte Kulturanthropologie/Volkskunde und Philosophie an der Universität Mainz sowie Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig.

Aktuell lebt sie in Prag und besucht dort im Rahmen eines Auslandssemesters an der Karls-Universität vor allem Film- und Philosophieveranstaltungen.

Für prag aktuell ist sie seit März 2016 als Redakteurin und Bloggerin aktiv.

Weitere Beiträge dieses Autors

Wenig Mystik, mehr... Zen?
Stilvoll, gemütlich, entspannt
Eine Oase für Shisha rauchende Teenager
Das etwas andere Teehaus
Mein erster Besuch in einem tschechischen Teehaus

Mehr zum Thema

23.05.2016
Stilvoll, gemütlich, entspannt
Themen: Teehaus, Teestuben, Teehauskultur
11.05.2016
Mein erster Besuch in einem tschechischen Teehaus
Themen: Teehauskultur, Teestuben, Wenzelsplatz
| | Kultur | 8.5.2016

It's teatime: Eine Biernation und ihr Tee

Ein kurzer Einblick in die tschechische Teehauskultur

Teatime, das schreit für mich erstmal nach England, wo von morgens bis abends schwarzer Tee mit Milch getrunken wird. Umso größer war die Überraschung als ich davon hörte, dass eine Biertrinkernation wie die Tschechen eine der höchsten Dichte an čajovnas, also Teehäusern, in ganz Europa haben soll (so munkelt man jedenfalls): Über 400 im ganzen Land und davon allein um die 50 Teestuben in Prag.

Wie es aussieht, war ich zu Recht überrascht. Vor dem 20. Jahrhundert hatte Tschechien nämlich sehr wenig mit Tee am Hut. Wie auch, wenn alle Welt sich in Kaffeehäusern traf, rauchend über die relevanten Themen des Lebens diskutierte und Prag zur Konkurrenz der Pariser und Wiener Kaffeehauskultur werden ließ? Bis zum ersten Weltkrieg gab es immerhin um die 150 Teehäuser, die aber - im Gegensatz zu den Kaffeehäusern - unter dem kommunistischem Regime nach 1948 schnell wieder von der Landkarte verschwanden. Qualitativ hochwertige Tees waren eben nur der Partei-, Staats- und Militärelite vorbehalten. Die Normalsterblichen durften sich über billige russische und vietnamesische Teemarken wie Pigi und Klub freuen. Die färbten durchaus das Wasser, viel mehr passierte aber nicht. Privater Import von Tee war schlichtweg verboten. Nach jahrzehntelangem Trinken von gefärbtem Wasser ließ die Samtene Revolution 1989 das Herz der Teeliebhaber höher schlagen: Endlich konnte hochwertiger Tee aus aller Welt  importiert werden! Die erste Teestube in Prag wurde 1993 von Aleš Jurina am Wenzelsplatz gegründet und existiert heute noch dort: Dobra Čajovna. Mittlerweile besitzt die Kette insgesamt 18 Teehäuser in Mitteleuropa und Amerika.

Doch wieso kommen Teehäuser hier so gut an? Sicherlich nicht nur wegen des Geschmacks. Denn trinkt man Tee, trinkt man nicht einfach nur Tee. Ob die Teestuben in feinen Gärten stehen, ob Geschäfte bei einem Tee beschlossen werden, formelle Zeremonien um das Getränk herum gefeiert werden oder wohlhabende Frauen um die Jahrhundertwende das Heißgetränk als Mittel nutzten, um sich mal ohne männliche Begleitung in sogenannten Ladies Rooms zu treffen: Beim Teetrinken spielen eben auch immer politische, gesellschaftliche und kulturelle Fragen im Hintergrund eine Rolle. In Russland zum Beispiel wurde das Teetrinken erst populär, nachdem der mongolische Machthaber im 17. Jahrhundert bei dem russischen Zaren zu Besuch war und ihm, wie auch sonst, Tee schenkte. Heute ist Tee fester Bestandteil russischer Kultur.

Zurück zu den Tschechen. Wieso also gibt es hier so viele Teestuben? Darauf gibt es sicherlich mehr als nur eine Antwort. Eine spannende Möglichkeit formulierte aber der Gründer von Dobra Čajovna, Aleš Jurina, gegenüber Radio Praha: "Tschechen sind nicht sehr religiös. Vielleicht fühlen sie in den Teestuben eine Verbindung zu Seele und Geist." Wer in einer čajovna war, dem wird nicht entgangen sein, dass die Stuben etwas spirituelles ausstrahlen. Vielleicht weil die tschechischen Teehäuser einen Mix aus verschiedenen Kulturen darstellen. Während die Einrichtung aus China stammen kann, kommt der Tee aus Japan (und aus vielen anderen Ländern) und das Essen vielleicht aus dem nahen Osten. Dabei bleibt Eins immer gleich: Der Tee wird so zubereitet, wie es in dem Herkunftsland üblich ist.

Aber keine Angst, man muss nicht spirituelle Yogi-Tante sein, um sich in eine Teestube zu setzen. Anstatt dessen kann man auch einfach die Abwechslung zu den verrauchten Cafés und Kneipen genießen, die in Prag keine Seltenheit sind. Außerdem gibt es dort nicht zuletzt einfach nur guten Tee. Ich werde mir die nächsten Wochen ein paar čajovnas anschauen und darüber bloggen. Bis dahin: Tee trinken und abwarten.

Auch interessant