Ich bin eigentlich kein Fan von zu persönlichen Blogs.
Zu diesem wurde ich mehr oder weniger mit dem Hinweis überredet, dass die ganze Geschichte für die werte Leserschaft sogar einen Lerneffekt haben könnte. Das hier ist also mein Fehler, ihr müsst den nicht machen.
Ich wohne seit gut drei Monaten in Prag. Weil ich mir das Chaos im Studentenwohnheim Hostivar, das geographisch jenseits von gut und böse liegt, ersparen wollte, habe ich mich schon lange vor meinem Aufenthalt um eine eigene Wohnung für das halbe Jahr hier gekümmert. Geklappt hat das Ganze auch eigentlich sehr gut. Über das Internet hab ich Mitte Juli eine viel versprechende Wohnungsanzeige für ein schickes Zimmer in Vinohrady (Prag 2) gefunden, sofort Kontakt aufgenommen und die Sache eingetütet. Irgendwie war mir klar, dass mich der etwas zu freundliche junge Herr bei der Agentur um mindestens 1000 Kronen über den Tisch zieht, aber was nimmt man nicht alles auf sich um seine eigene Ruheinsel im Erasmuswahnsinn zu haben.
Als ich Ende September reizüberflutet und abgehetzt in Prag ankam war von meinem Vermieter erstmal keine Spur. Auf meine vierte Mailboxnachricht rief er schließlich zurück. Täte ihm leid. Er würde zur Schlüsselübergabe drei Stunden später als vereinbart kommen. Vielleicht hätte mir damals schon eine kleine Warnlampe aufgehen müssen. Tat sie aber nicht. Vermutlich war ich ein bisschen zu überwältigt und verwirrt, dachte irgendwie das würde alles dazu gehören, ist ja auch mit etwas Abstand betrachtet wirklich halb so wild. Nach fünf Tassen lauwarmen Kaffee im nicht gerade charmanten Laden gegenüber kam mein Vermieter dann auch. War auch kein Problem, schnell den Vertrag unterschrieben, Schlüssel übergeben, ein paar warme Worte zum Einzug, eine kleine Führung durch die Wohnung.
Ich war zufrieden und erleichtert. Meine vier Mitbewohner waren nett, das Zimmer genau wie auf den Fotos und die Lage meines neuen Zuhauses einfach perfekt.
Eigentlich sollte die Geschichte hier aufhören. Ich mein, wenn alles in normalen Bahnen gelaufen wäre. Ich hätte hier ein halbes Jahr verbracht, wäre dann zurück nach Deutschland geflogen und hätte mich immer wieder gern an mein Zimmer und unsere WG erinnert. Wie ihr vielleicht erraten könnt ist das nicht der Fall. Denn als wir nach ungefähr sechs Wochen eine neue Mitbewohnerin bekamen entschlossen wir uns eine Party zu veranstalten. Sollte eigentlich auch nichts Großes werden. Ein paar Leute, ein paar Bier, danach vielleicht noch in einen Club. Jetzt zu behaupten, die ganze Nummer sei ausgeartet oder wir hätten am besagten Abend Kontrolle und Übersicht über die Meute verloren wäre doch ganz arg übertrieben.
Ja, es waren mehr Leute da als beim großen sozialen Netzwerk mit dem “f” eingeladen waren und ja, es wurde auch etwas später. Aber so eine Reaktion?
Die besagte Party ist jetzt etwas länger als zwei Wochen her. Gestern bekamen wir alle eine E-Mail vom Besitzer der Wohnungsagentur. Es hätte schlimme Beschwerden gegeben wegen einer Party in einem seiner Häuser. Nicht nur Nachbarn sondern auch so genannte “local authorities” seien in stetiger Alarmbereitschaft. Jemand hätte Ruhezeiten verletzt, betrunkene Menschen hätten im kompletten Hausflur rumgelegen und diesen vollkommen verdreckt.
Ob wir etwas davon wissen würden. Es drohen ernsthafte Konsequenzen (die er allerdings nicht genauer benannte).
Als ich die E-Mail las war ich schon ein bisschen geschockt. Zumal zwei der drei Anschuldigungen vollkommen aus der Luft gegriffen war. Und überhaupt:
Das ist zwei Wochen her, wieso kommt er jetzt damit an? Und warum hatte sich an dem Abend keiner unserer Nachbarn bei uns persönlich beschwert?
Schnell setzte ich mich mit einem meiner Mitbewohner zusammen um eine angemessene Antwort inklusive Schuldeingeständnis zu verfassen, da klingelte es auf einmal an der Tür. Der Hauseigentümer war gekommen und stellte uns die gleichen Fragen wie in der Mail.
Wir entschuldigten uns, nahmen alles auf unsere Kappe. Kommt nie wieder vor.
“Das stimmt.” , sagte er, “es ist nämlich ziemlich wahrscheinlich, dass ich euch alle bald rausschmeißen werde. Ihr guckt euch besser schonmal nach ner neuen Wohnung um.”
Das hatte gesessen. Ausziehen? Wegen einer (!) Party? Wir hatten alles aufgeräumt und geputzt, nichts war kaputt gegangen, alles was vorlag war eine Beschwerde, keine Anzeige, nichts Handfestes.
Immer noch fassungslos fragten wir ihn immer wieder, ob wir nicht irgendwas tun könnten. Er verneinte jedes Mal.
Eine endgültige Entscheidung würde in den nächsten Tagen fallen, wenn er mit seinem Geschäftspartner geredet hat. Als er immer noch ziemlich wütend die Wohnung verließ, fragte ich ihn: “Wann genau ist bald?” “Dieses Wochenende.” fauchte er zurück.
Wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen Donnerstagabend handelte, gibt es eigentlich kaum schlechtere Antworten als “dieses Wochenende.”
Die Tür fiel ins Schloss und ich guckte meinen Mitbewohner hilflos an. Darf der das überhaupt? Uns einfach auf die Straße setzen?
Wir durchforsteten den Mietvertrag und stellten fest: er darf.
Denn wir hatten unterschrieben, dass wir bei Verletzung der Ruhestunden sofort kündbar waren. Vom einen auf den anderen Tag.
Ich schüttelte mich. Passierte das hier gerade wirklich? Ist das überhaupt legal?
Eigentlich alles vollkommen unbedeutend. Er sitzt am längeren Hebel. Und ich plötzlich auf einem Haufen Probleme.