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Der Autor

Steffi Böttger wurde in Leipzig geboren. Nach einer Schauspielausbildung und Engagements an verschiedenen Theatern arbeitet sie seit 1994 freischaffend.

Nach einem Studienaufenthalt in der USA gab sie die Publizistik des Schriftstellers Hans Natonek heraus und 2013 erschien ihre Natonek-Biographie "Für immer fremd" im Lehmstedt Verlag.

Mittlerweile publiziert sie nicht nur kulturgeschichtliche Stadtführer deutscher und Schweizer Städte, sondern beschäftigt sich mit Autoren des frühen 19. Jahrhunderts. Regelmäßig erscheinen dazu ihre Texte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und den Leipziger Blättern.

Sie ist als Sprecherin für Hörbücher im Tonstudio der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (heute DZB Lesen) und als Synchronsprecherin für Dokumentationen bei Arte und der ARD tätig.

In den Monaten Mai und Juni 2024 ist Steffi Böttger eine Stipendiatin im Prager Literaturhaus.

Bildnachweis:
© Prager Literaturhaus

Weitere Beiträge dieses Autors

| | Feuilleton | 27.6.2024

Blog 4

2024-5-18 // Mein Lieblingsweg führt vom Pohořelec am Kloster vorbei und den Laurentiberg entlang, vorbei am Denkmal Karel Máchas, und immer weiter auf gleicher Höhe bleibend zum Teich mit dem spuckenden Seehund – von den Entenküken sind schon zwei abgängig, die hat wohl der Marder geholt, oder der Fuchs – bis zur Ruine eines Hotels, das in den 1980er Jahren gebaut und vor langer Zeit verlassen wurde. Und dann geht’s runter, vorbei an St. Gabriel, an Sacre Coeur, am Wohnhaus von Karel Polaček – muss ich wieder mal lesen, den Fußball-Roman „Fünf Männer im Abseits“. Schon ist man wieder im Gewühl und Gedränge.

 

2024-5-19

Gestern Abend in einem hinreißenden kleinen Club in der Husitska, Čítárna Unijazz: Marek Toman stellte seinen neuen Roman „České sklo“vor. Der Raum war gut gefüllt, alle kannten sich, ich traf Jan Blažek wieder, mit dem ich in Leipzig schon eine Lesung aus der Graphic novel „Die Vertriebenen Kinder“ zur letzten Buchmesse absolviert habe. Die Stimmung war richtig freundlich.

Natürlich habe ich nicht verstanden, worum es in „České sklo“ geht, obwohl Marke für mich die wichtigsten Fakten auf Englisch zusammengefasst hat (u.a., wo sich im Club die Toiletten befinden), aber die Lesung, die dann stattfand, war umwerfend. Es las Jan Vondráček. Muss ich hier in Prag mehr dazu sagen? Er stand wie eine Eiche, kein Gezappel, keine großen Gesten, ganz konzentriert, aber unglaublich souverän über dem Text stehend, setzte hier kleinere Zäsuren, da größere Pausen. Hob höchstens mal die Augenbrauen. Das können Wenige, das war ganz großes Theater!

Im Netz las ich, er habe die Stationen der Prager Straßenbahnen eingesprochen. Stimmt, auf ruhigeren Strecken versteht man es. Sehr angenehm, ein wenig nasal, aber wie gestochen und makellos.

 

2024-5-22

Die letzte Woche in Prag beginnt. Gestern bin ich einfach aufs Geratewohl in die Straßenbahn gestiegen und weit in den Süden gefahren. Ausgestiegen am Bahnhof Modřany, wo es wenig anheimelnd war. Es gab jedoch eine Bushaltestelle, und es kam gerade ein Bus. Also bin ich mitgefahren und im ersten vertrauenerweckenden Ort ausgestiegen: Zbraslav, Königsaal. Innerhalb von einer halben Stunde sah man sich in eine ganz andere Welt versetzt. Eingemeindet zu Prag-Smichov und doch mit dem Charme einer kleinen böhmischen Stadt gesegnet. Spazierte ein wenig im Ort und im Schlossgarten herum, überquerte nochmal die Moldaubrücke, guckte lange nachdenklich aufs Wasser – und fuhr wieder zurück an den Schreibtisch.

 

2024-5-26

Heute ist mein vorletzter Tag in Prag, an dem ich selbst entscheiden kann: arbeite ich oder trolle ich mich nach draußen? Ich arbeite, denn Tourismus kann ich machen, wenn ich alt und gaga bin, wenn es für nichts anderes mehr reicht. Außerdem ist es so heiß, dass jeder Schritt zwischen all dem Stein zur Plage wird. Auszuhalten es noch im Grünen, auf dem Letná z.B. zwischen all den jungen Leuten, die Bier trinken, Skateboard fahren oder einfach nur kurz die Welt besprechen. Und ab und zu kommt bei mir ein wenig Neid auf, weil sie noch so viel Zeit vor sich haben. Zeit, die sie jetzt nach Leibeskräften verbummeln mögen.

Das ist das Fazit von zwei Monaten Prag? Aber was bietet sich in der Stadt noch ebenso aufdringlich an, wie das Nachdenken über Zeit und Vergänglichkeit und gnädiges Vergessen.

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